Berliner Szenen
: Markthallenirrgang

Renne

Heute nicht, heute hab ich Störung, Alter

Sie lungerte mit ihren zwei Freunden, die sich vornehm bedeckt hielten, am Reuterplatz vor dem sudanesischen Imbiss herum, in dem kalte Erdnusssoße auf den Falafel geklatscht wird und wo es nur nach Laune die gute Erbsensuppe gibt, aber jetzt war der Imbiss eh zu. Es war Dienstagabend, kurz vor Weihnachten, und ich war zu der zweiten von drei Weihnachtsfeiern unterwegs, gemächlichen Schritts.

Ey, sprach sie mich da an, wie heißt du? Es ist ja so, dass man gern von jungen Frauen angesprochen wird, was normalerweise allerdings nie passiert; passiert es dann doch einmal, ist man geschockt. René, sagte ich. Das ist komisch, sagte sie, wenn du Renne heißt, warum gehst du dann so lahmarschig?

Gut, wenn man schlagfertig ist. Bin ich aber leider nicht. Stattdessen machte ich mich auf den Weg zur Markthalle, während ich überlegte, wie die coole Antwort hätte lauten sollen. „Renne“ ist ja ein Imperativ, also ein Befehl, eruierte ich. Viel weiter kam ich nicht.

In der Markthalle war dann niemand, jedenfalls nicht mein Weihnachtsessen. Komisch. Ich musste noch mal in die Einladungsmail schauen. Gibt’s irgendwo Internet?, fragte ich also, denn mein Handy ist immer noch kein alles könnendes Smartphone. Hier nicht, wurde ich beschieden und machte mich auf die Suche nach einem Internetcafé. Vielleicht war ja die andere Markthalle, die am Marheinekeplatz, gemeint.

Internetcafé ist aber so was von 2005, das gibt es heute nicht mehr, und der Kiosk, der Internet anbietet, sagte auf Nachfrage: heute nicht. Wie, heute nicht, morgen dann wieder oder was? Heute nicht, heute hab ich Störung, Alter.

Am Ende fand ich über zwei Telefonate heraus, dass ich in die Kleine Markthalle musste. Die liegt am Legiendamm. Also, wer braucht schon Internet.

René Hamann