„Haben wir da ein Weihnachts- wunder verpennt, läuft bei den Behörden nun alles rund?“

Das bleibt von der Woche Für den Betrieb von Notunterkünften für Flüchtlinge existieren keine Qualitätsvorgaben, das Onlineportal, das Bürgeramtstermine vertickte, hat aufgegeben, Neil MacGregor – ab Januar 2016 Gründungsintendant am Humboldt-Forum – macht sich Gedanken über sein neues Museum, und in Pankow schließt die Lebensmittelaufsicht alle Kühlschränke von Foodsharing-Aktivisten

Fehlende Qualitäts- standards

Notunterkünfte

Fragen bleiben, mit denen man sich trotz Weihnachtspause beschäftigen sollte

Die rund 200 Kinder, die im Hangar 1 des ehemaligen Flughafens Tempelhof untergebracht sind, hatten vergangenen Donnerstag Grund zur Freude: Für sie wurde ein großes Spielzimmer eröffnet. Von nun an stehen ihnen Klettergerüste, zahlreiche Spielzeuge und ein Mutter-Kind-Bereich zur Verfügung. So weit, so gut.

Nur bleiben Fragen, mit denen sich die Verantwortlichen trotz Weihnachtspause beschäftigen sollten: Für die Materialkosten in Höhe von 8.000 Euro kam nicht etwa das Lageso auf, sondern der Betreiber der Notunterkunft, die Tamaja GmbH. Den Aufbau der Klettergerüste übernahmen vorwiegend ehrenamtliche Helfer. Das Land Berlin hat keinen Finger krumm gemacht – und muss es auch nicht. Während für reguläre Unterkünfte etwa Kinderbetreuung, psychologische Hilfe und die Verteilung von Kleidung und Hygieneartikeln vorgeschrieben sind, existieren solche Qualitätsvorgaben in Bezug auf Notunterkünfte nämlich schlicht und einfach nicht. Für die Eröffnung einer Notunterkunft braucht es lediglich Brandschutz, Trinkwasser, Verpflegung und Toiletten. Das bedeutet: Alles andere gibt es nur, wenn der Betreiber es will und sich genug Ehrenamtliche engagieren.

Das wäre alles halb so schlimm, wenn Notunterkünfte das wären, was sie eigentlich sein sollten: eine Notlösung für wenige Tage. Stattdessen sind sie zum festen Bestandteil im Registrierungsprozess geworden. Lageso-Informationen zufolge werden jeden Tag rund 150 neu ankommende Flüchtlinge nicht sofort registriert und kommen deshalb in Notunterkünfte. Dort kann die Wartezeit dann durchaus auch mal mehrere Wochen betragen. Unter diesen Umständen müssen endlich auch hier feste Qualitätsstandards gelten. Fehlende Hygieneartikel, keine Wechselkleidung und kein Platz zum Spielen – das ist okay für ein paar Tage. Für einen Ort, an dem Flüchtlinge mehrere Wochen verbringen müssen, ist es ein unhaltbarer Zustand. Hannah Wagner

Bürgerämter: Kein Wandel durch Handel

Aus für Terminbörse

Man hätte sich das bisschen Gehirnschmalz auch einfach sparen können

„Solange es uns geben kann, weil die Leute für unsere Dienstleistung zahlen, so lange läuft etwas falsch“, hatte Jörn Kamphuis im Sommer gesagt. Zusammen mit zwei Mitstreitern hatte Kamphuis im Juni die Onlineterminbörse buergeramt-termine gegründet. Wer 25 Euro übrig hatte, konnte sich dort einen kurzfristigen Bürgeramtstermin kaufen – ein „intelligenter Suchalgorithmus“ buchte die Kunden innerhalb von fünf Tagen auf einen freien Bürgeramtstermin.

Nun wurde am Dienstag bekannt, dass die Website schon seit Mitte Dezember den Betrieb eingestellt hat. Haben wir da etwa ein Weihnachtswunder verpennt, läuft bei den Berliner Behörden nun alles rund?

Natürlich nicht. Die zuständige Innenverwaltung des Senats hat, weil sie der Terminbörse offenbar juristisch nicht beikommen konnte, bloß ein bisschen in der Trickkiste gekramt: Es werden jetzt nur noch Termine freigegeben, die weiter als fünf Tage in der Zukunft liegen. Da habt ihr’s, ihr Systemkritiker und ihr … ihr Bürger!

Denn die schon ein wenig leiernde Platte von der „wachsenden Stadt“ und dem jahrelangen Personalabbau in den Ämtern wird uns natürlich auch im kommenden Jahr begleiten: Wer in dieser Woche einen Reisepass beantragen wollte, fand bis Ende Februar in ganz Berlin keinen freien Termin.

Nun ist es einerseits schon erstaunlich, wie lange der Senat gebraucht hat, bis er die zündende Idee mit der Fünftagefrist hatte. Man hätte sich das bisschen Gehirnschmalz aber auch ganz einfach sparen können. Weil erstens offenbar eh kaum Leute den Service in Anspruch nahmen. Kamphuis spricht laut einem Zeitungsbericht von „im Schnitt fünf Anfragen pro Tag“. Und die Situation in den Bürgerämtern hat sich seit Abschaltung der Website ja auch nicht verbessert.

Schade aber auch, dass man Kamphuis und Co. ihr altruistisches Motto nun nicht mehr ganz abnehmen kann. Dafür, dass sie es ernst meinten, dass sie die Börse als politische Aktion verstanden und nicht als Einnahmequelle, haben sie verdächtig schnell wieder aufge­geben. Anna Klöpper

Weltkultur ist nicht genug

Humboldt-Forum

Das Intendantenteam muss jetzt ein Gesamtkonzept entwickeln

Weil in Dahlem die Mitarbeiter schon dabei sind, die 20.000 Objekte der außereuropäischen Sammlungen langsam zusammenzupacken – das ganze Museum muss bis 2019 an den Schlossplatz übersiedeln –, ist in Berlin natürlich die Frage groß, wie die Sache dort einmal aussehen wird. Wird es die große Bootshalle auch im Humboldt-Forum geben? Wo werden die vielen kolonialen Kunstwerke ausgestellt, wohin kommen die Indianderzelte und Maya-Tempel?

Neil MacGregor, bis zum Ende des Jahres noch Direktor des British Museum in London und ab Januar 2016 Gründungsintendant am Humboldt-Forum, hat darum zu Beginn dieser Woche ein paar Ideen für sein neues Museum in die Runde geworfen. Konkret – etwa zur Bootshalle – hat er wenig gesagt, aber dass er viel vorhat, war eine Aussage: „Man hat mich eingeladen, ein Projekt mitzugestalten, das einzigartig und konkurrenzlos ist auf der ganzen Welt“, fand MacGregor.

Und dass ihm ein ganz anderes Museum in der Berliner Mitte vorschwebt als das in Dahlem, war eine andere Idee: Am Humboldt-Forum bestehe „die Chance für eine vollkommen neue Beziehung zwischen Deutschland und der Welt, eine Beziehung, die ihren Ursprung in einem anderen Deutschland hat, einem humanen, kultivierten und kosmopolitischen Deutschland“. MacGregor will also ein Museum der Weltkulturen und deren globale Beziehungen und Wirkungen inszenieren. Das klingt gut, darauf kann man gespannt sein. Aber Vorsicht!

Weil im wiederaufgebauten Schloss neben dem Ethnologischen Museum doch auch noch die wissenschaftlichen Sammlungen der Humboldt-Universität und die Schau zur Geschichte Berlins präsentiert werden, wäre ein Gesamtkonzept für das Haus aber die eigentliche Hauptaufgabe, der sich der britische Kunsthistoriker stellen müsste. Glänzende Weltkulturen und Berlin samt Humboldt-Uni im Schatten – das funktioniert nicht.

Neil Mac Gregor und die weiteren Mitglieder des Gründungsteams, Horst Bredekamp (Humboldt-Universität) und Paul Spies, Chef der Stiftung Berliner Stadtmuseum, werden deshalb ein gemeinsames Programm zu entwickeln haben. Das Museum neuen Typs, wie der Mann aus London fordert, muss nicht nur bespielt werden, die drei Abteilungen sollten auch einer gemeinsamen Idee, einem gemeinsamen Ausstellungsideal verpflichtet sein. Wie das einmal aussehen kann, gehört jetzt zur harten Arbeit. Starke Sätze in eigener Sache gehören weniger dazu.

Rolf Lautenschläger

Sehnsucht nach
Regeln

Foodsharing für alle

Der Drang, alles zu kontrollieren, ist so bedenklich wie lächerlich

Ein Kühlschrank, in den die einen die Lebensmittel rein stellen können, die sie nicht mehr brauchen und aus denen sich die anderen das nehmen können, was sie haben wollen. Eine einfache Idee, die der Verein Foodsharing e.V. vorantreibt. 24 solcher Kühlschränke, im Sprech der Lebensretter-AktivistInnen auch „Fairteiler“ genannt, stehen in Berlin. Standen, um genau zu sein, denn seit dieser Woche sind es drei weniger: Die Lebensmittelaufsicht in Pankow ließ in dieser Woche alle Kühlschränke im Bezirk schließen.

Die rund um die Uhr zugänglichen Kühlschränke verstießen gegen EU-Richtlinien zur Lebensmittelsicherheit und seien hygienisch bedenklich, beschied der zuständige CDU-Stadtrat Torsten Kühne. Außerdem müsse die Abgabe von Lebensmitteln kontrolliert werden, es sei schließlich möglich, dass dabei auch böse Absichten verfolgt werden – wie im Fall einer Frau aus Spandau, die Anfang des Monats vergiftete Weihnachtskekse verteilt haben soll. Die Kühlschränke, so Kühne, könnten wenn überhaupt nur in Cafés oder Läden aufgestellt werden, wo das Angebot beaufsichtigt werden würde.

Drei Kühlschränke mehr oder weniger – das bedeutet nicht die Welt. Trotzdem ist der Vorstoß des Pankower Bezirksamts bemerkenswert. Denn er steht für die behördliche Sehnsucht, alles zu regeln, was es zu regeln gibt. Auch wenn es sich, wie in diesem Fall, um Angebote handelt, mit denen der Staat bisher nichts zu tun hatte – die Kühlschränke sind ein ehrenamtlich gestemmtes und nichtkommerzielles Angebot.

Diese Sehnsucht nach Reglementierung, dieser Drang, alles zu kontrollieren, ist ebenso bedenklich wie lächerlich. Bedenklich, weil er gerade ehrenamtliche Initiativen – die oft nicht die Möglichkeiten haben, einen Katalog an EU-Richtlinien zu erfüllen –, in ihrem Engagement erstickt. Lächerlich, weil dahinter die Vorstellung steht, jede Gefahr der Welt durch Regeln bannen zu können. Will aber jemand wirklich seine Mitmenschen mit vergiftetem Essen umbringen, so braucht er dafür keine Umsonst-Kühlschränke. Der schöne Gedanke aber, dass die Fairteiler immer und überall für jeden zugänglich sein können, er verschwindet, wenn das Angebot künftig nur noch während der Ladenöffnungszeiten und unter den Blicken der Café-BesucherInnen zur Verfügung steht.

Malene Gürgen