: Drogen, Sommer, Disco, Meer
KONZERT Vergessen Sie Fraktus! Jacques Palminger und die Kings Of Dub Rock sind wieder da. Die Steigerung von „fett“ ist „Fettuccini“. Von der Schönheit der Asymmetrie
VON ANDREAS SCHNELL
In Fraktus ist er der mit der asymmetrischen Brille. Bei Dackelblut war er der Mann hinterm Schlagzeug. Bei Studio Braun terrorisierte er wildfremde Menschen mit Longdrink-Rezepten. Und auch sonst bringt er offenbar gern Leute durcheinander. So ließ es sich ein Autor der Zeit nicht nehmen, die Musik seines neuen Albums „Fettuccini“ „stilistisch nur schwer dem Dub Rock, jenem langsamen Abkömmling des Reggae, zuzuordnen“, wobei Dub Rock, „jener langsame Abkömmling des Reggae“, einiges sein mag, aber nicht das. Dub, das ist „jener“ langsame Vorläufer des Reggae, Dub Rock dagegen ist dann doch, wenn es nicht die Musik von Solitären wie dem Dub Trio oder deren Ahnen Blind Idiot God sein müsste, eher „jene hübsche Erfindung“ von Herrn Palminger, Viktor Marek und Rica Blunck.
Die nennen sich zusammen Kings Of Dub Rock, aber eigentlich haben sie mit dem einen noch weniger zu tun als mit dem anderen. Oder mit beidem so viel mit einem halben, wenn nicht einem Dutzend anderer Dinge. Was kaum überraschen kann, wenn man sich mal anschaut, wer diese Leute eigentlich sind. Palminger war früher Schlagzeuger der Berliner Country-Punk-Band The Waltons, später spielte er bei der Punk-Band Dackelblut. Außerdem gründete er, wie Sie sicherlich wissen, mit Heinz Strunk und Rocko Schamoni Studio Braun, schrieb für das Hamburger Post-Chanson-Projekt Universal González zartbittere Texte und nahm ein Album mit Jazz und Lyrik auf. Viktor Marek spielte nicht nur mit Knarf Rellöm und dem Sitar-Meister Ashraf Sharif Khan, sondern komponiert auch Musik fürs Theater, Rica Blunck firmiert als Choreografin, Tänzerin, Schauspielerin und Sängerin und war unter anderem in den frühen achtziger Jahren Sängerin der Hamburger Wave-Band Die Zimmermänner. Sie werden verstehen, dass man sich da nicht unbedingt so mal eben auf eine bestimme Musik festlegen mag, auch wenn das natürlich immer noch passieren kann. Und es geht hier ja auch nicht um so ein postmodernes Durcheinander.
Dub und Rock, das ist zwar auf einer Ebene durchaus ernst zu nehmen, als Verweis auf ein, zwei Haltungen, aber wie sie der Berliner Zeitung sagten: „Wir funktionieren wie eine richtige Grindcore-Band von der sozialen Struktur her, auch wenn wir keine Gitarrengurte umhängen haben.“ Grindcore kommt übrigens überhaupt nicht vor auf „Fettuccini“, der neuen Platte der Kings Of Dub Rock. Dafür Verbeugungen Richtung Afrobeat-Ikone Fela Kuti, (ja, doch) Dub-Legende King Tubby, Glücklichmacher MDMA, den Sommer, das Meer, die Disco und die Rolltreppen von Paris.
„Wer Musik nur zum Spaß macht, wird jung sterben, sagt Fela Kuti“, sagt Jaques Palminger. Worüber sich bestimmt diskutieren ließe. Wahrscheinlich weniger indes mit Palminger. Denn der ist, wie er unlängst der Spex erzählte, „immer eher am Geheimnis denn an der Lösung interessiert“. Weshalb sich seine Lyrik, die im deutschen Pop ihresgleichen wohl lange, jedenfalls aber erfolglos suchen dürfte, lieber unter kaum kalkulierbaren Temposchwankungen in Parallelwelten schraubt – „durch fleißiges Arbeiten und automatisches Umstellen, mit einer Mischung aus Konzentration, Zerstreuung und freiem Assoziieren – bis das Ergebnis am Ende wesentlich größer ist als ich“.
■ Freitag, 20 Uhr, Schwankhalle