Scharon: Offensive gegen Terror

Nach dem Anschlag greifen israelische Kampfjets Ziele im Gaza-Streifen an. Der Islamische Dschihad gilt als die gefährlichste palästinensische Organisation

JERUSALEM taz ■ Mit neuen Luftangriffen auf die Palästinensergebiete, Massenverhaftungen und Exekutionen mutmaßlicher Terroristen will Israels Premierminister Ariel Scharon den Terror beenden. „Unter keinen Umständen werden wir die Fortsetzung des Terrors akzeptieren“, meinte der Regierungschef gestern, noch immer sichtlich erregt über das Attentat am Vortag, als fünf Menschen einem Bombenanschlag auf einem Marktplatz im Norden Israels zum Opfer fielen. Die Operation werde „weitreichend“ sein, versprach Scharon. Sie werde nicht eher enden, bis dem Terror Einhalt geboten sei.

Schon gestern früh flog die Luftwaffe erste Bombenangriffe im Gaza-Streifen. Ziel sind vor allem Stützpunkte des Islamischen Dschihad, der die Verantwortung für den Anschlag übernommen hatte. Eine Invasion ist offenbar vorerst nicht geplant. Anders im Westjordanland, wo Soldaten den Vater des 20-jährigen Selbstmordattentäters und weitere Aktivisten des Islamischen Dschihad festnahmen.

Der palästinensische Premierminister Achmad Kurai reagierte mit Unverständnis über die israelische Entscheidung, die „die Lage nur noch mehr anheizt“. Die Palästinensische Autonomiebehörde hatte das Attentat umgehend verurteilt. Israel bemängelt, dass die palästinensischen Sicherheitskräfte keine konkreten Maßnahmen gegen die militanten Bewegungen ergreifen. Die Palästinenser kontern, nicht über die dafür notwendigen Waffen und Munition zu verfügen.

Schon in der vergangenen Woche hatte Israel infolge eines Schussattentates mit drei Toten neue Straßenblockaden errichtet und angekündigt, die Hauptstraßen im Westjordanland für palästinensische Privatfahrzeuge zu verbieten. Der gesamte Norden soll vom restlichen Westjordanland abgekoppelt werden. Die Armee wird neue Ausreisesperren über Dörfer und Städte verhängen. Auch die Übergänge zum Gaza-Streifen für den Personen- und Warenverkehr sind auf unbefristete Zeit erneut geschlossen.

Für den israelischen Sicherheitsapparat stellte sich die Frage, wie der Attentäter trotz der Trennanlagen nach Israel kommen konnte. Möglich ist, dass er offiziell an einem Übergang einreiste, was zu Konsequenzen in den Reihen der Armee führen müsste. Die Militärs beeilten sich zudem, die Begründung des Islamischen Dschihad, das Attentat sei Vergeltung für den in der Nacht zum Montag exekutierten lokalen Kommandanten der Bewegung, zu entschärfen. Die Planung eines solchen Anschlags würde länger als drei Tage in Anspruch nehmen, hieß es. Khader Chabib, Sprecher des Islamischen Dschihad, hatte zuvor von der Verpflichtung seiner Bewegung zum gegenseitigen Waffenstillstand gesprochen. „Einen einseitigen Waffenstillstand können wir nicht tolerieren.“

Der Islamische Dschihad gilt derzeit als gefährlichste Bewegung im Palästinensergebiet, da sie nicht Teil des politischen Systems ist und auch nicht die Absicht verfolgt, diesen Weg einzuschlagen. Im Gegensatz zur Hamas, die ihre Beteiligung an den für Januar geplanten Parlamentswahlen angekündigt hat, muss sich der Islamische Dschihad wenig um die Stimmung in der Bevölkerung kümmern. Die politische Führung sitzt in Damaskus. Von dort kam offenbar auch das Kommando zu den jüngsten Terroranschlägen.

Die Attentate sind auch Signal an den Palästinenserchef. Für Mahmud Abbas, der noch wenige Stunden von dem Anschlag am Mittwoch vor dem Parlament dazu aufrief, Israel „keine Ausreden für Angriffe auf uns zu liefern“, bedeutet die neue Eskalation nur drei Monate vor den Parlamentswahlen eine zusätzliche Schwächung. Je stärker die israelischen Militärmaßnahmen die palästinensische Bevölkerung einschränken, desto mehr Aufwind bekommt die Hamas.

SUSANNE KNAUL