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Archiv-Artikel

Verfolgte Unschuld

JUSTIZ Francesco Schettino wird der Prozess gemacht. Opfer klagen gegen Reederei

ROM taz | Wenigstens vor einem Richter hat Francesco Schettino, der Unglückskapitän der „Costa Concordia“, Gnade gefunden: vor sich selbst. Als verfolgte Unschuld geriert Schettino sich seit nunmehr einem Jahr. Die Verneigung vor der Insel Giglio? Dazu habe ihn die Reederei gezwungen. Das Verlassen des sinkenden Schiffes? Heldenhaft habe er Dutzende Menschenleben gerettet.

Im Prozess werden diese kühnen Thesen wohl kaum Bestand haben. Wenige Tage vor Weihnachten schloss die Staatsanwaltschaft Grosseto die Ermittlungen ab. „Schwer wie ein Grabstein“ wiege Schettinos Verantwortlichkeit, befand anschließend der Staatsanwalt Francesco Verusio. Womöglich noch im Januar wird er Klage gegen acht Personen erheben, gegen Schettino, gegen einige seiner Offiziere, gegen diverse Mitarbeiter des Costa-Krisenstabes, der in der Unglücksnacht von Genua aus in stetem Kontakt mit dem Schiff stand. Die Vorwürfe: mehrfache fahrlässige Tötung, Schiffbruch sowie das Verlassen Schutzbefohlener. Im schlimmsten Falle könnte Schettino 20 Jahre Haft erhalten.

Parallel dazu tritt der Kapitän seinerseits als Kläger auf: als Kläger gegen die Reederei Costa. Die hatte ihn nämlich im Juli fristlos gefeuert. Zu Unrecht, meint Schettino, dessen Kündigungsschutzprozess im letzten Dezember begann. Mehr Sorgen macht sich Costa Crociere wahrscheinlich über die noch in den USA anhängigen Schadenersatzklagen.

Weil Costa ein Tochterunternehmen der US-Kreuzfahrtlinie Carnival ist, wollen dort die Anwälte einiger hundert Passagiere hohe Entschädigungszahlungen erwirken. Costa hatte allen Passagieren eine Abfindung in Höhe von 11.000 Euro angeboten; 70 Prozent der Betroffenenen hätten dieser Regelung zugestimmt, berichtet die Reederei. Nicht genug, meinen jedoch viele Opfer. Eine erste Klage gegen Carnival, eingereicht von Bürgern der Insel Giglio, die Einnahmeausfälle im Tourismusgeschäft geltend machten, wurde jedoch von einem US-Gericht in Fort Lauderdale abgeschmettert.

MICHAEL BRAUN