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Press-Schlag Politische Botschaften müssen von den Sportlern kommen. Und dürfen nicht angeordnet werdenPer Marschbefehl zum Freiheitskick

Zwei Meldungen aus einer Woche, die auf bemerkenswerte Weise zusammenpassen. Zum einen hat der Deutsche Schwimmverband seinen Na­tio­nal­mann­schafts­aktiven freigestellt, ob sie im Dezember bei der Kurzbahn-EM in Israel antreten wollen. Etwa die Hälf­te will dorthin reisen, die andere Hälfte hat indi­vi­duel­le Sicherheitsbedenken, fand der Athletensprecher heraus.

Zum anderen ist da der Deutsche Fußball-Bund. Der hatte bekanntlich seine Auswahl, großkotzig „die Mannschaft“ genannt, am vergangenen Dienstag nach Hannover beordert, und wollte sie gegen die Niederlande antreten lassen. Das, was man in anderen Institutionen einen Einberufungsbescheid nennen würde, hatten die Verbandsfunktionäre gemeinsam mit der sportlichen Leitung beschlossen. Es gibt zwar einen Spielerrat, doch wie selbstverständlich darf der so etwas nicht entscheiden.

Beim Interimspräsidenten Reinhard Rauball klang der DFB-Marschbefehl so: „Wir lassen uns nicht vom Terror einschüchtern. Dass die Mannschaft wenige Tage nach den schlimmen Erfahrungen beim Länderspiel in Paris wie geplant gegen die Niederlande aufläuft, ist ein gebotenes Zeichen.“ Ein Zeichen, das das Präsidium von der Mannschaft abverlangt. Und das obwohl der Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff einräumte, dass „der sportliche Wert des Spiels gegen den Niederlande natürlich niedriger zu bewerten“ war.

Gewiss. Vor dem letztlich abgesagten Freundschaftsspiel gab es gute Gründe, diese Partie stattfinden zu lassen. Und es gibt auch sehr gute Gründe, dass sich die besten europäischen Schwimmer in Israel zur EM treffen. Für Letzteres gibt es sogar bessere Gründe, da es – anders als beim Hannover-Kick – wirklich um sportlich Wertvolles geht.

Es ist sehr zu begrüßen, dass Sportler – Fußballer wie Schwimmer – ein politisches Zeichen setzen. Doch die Entscheidung darüber muss immer Sache der Sportler sein.

Während der Schwimmverband, indem er seinen Spit­zen­athleten die Anreise freistellt, vorführt, wie man mit erwachsenen Menschen umzugehen hat – nämlich ihre Entscheidung zu respektieren –, demonstriert der DFB anderes: Er verfügt einfach über seine Spieler. Dass es sich um Profis, erwachsene junge Männer, in der Regel mehrfache Einkommensmillionäre, handelt, ist diesem Verbandsgremium, das ein Zeichen setzen möchte, völlig egal.

Was hier ausgelebt wird, ist eine sehr soldatische Angewohnheit, über Sportler zu verfügen. Dabei ist es nicht nur eine Frage des Respekts, dass man die Spieler fragt und ihre – ob kollektiv oder individuell zu treffende – Entscheidung akzeptiert. Es geht auch um das, was der DFB da in Hannover verteidigen wollte: die Demokratie, die Freiheit, die Menschenrechte.

Dass Profis junge Erwachsene sind, ist dem DFB, der ein Zeichen setzen wollte, egal

„Meine Kinder fragen, warum, warum, warum das passiert. Aber die heutigen Fußballspieler sind sehr intelligent, kennen die Situation perfekt“, hat Pep Guardiola zur Lage des Sports nach den Anschlägen von Paris gesagt. Insgeheim hat der Bayern-Trainer damit auch sein Erfolgsrezept ausgeplaudert: Spieler, von denen eine professionelle Leistung erwartet wird, darf man nichts befehlen.

Martin Krauss

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