: Changing of the guards – extended version
Ein nicht ganz volljähriges Mittelfeld bringt Borussia Dortmund den Sieg über die Borussen aus Mönchengladbach. Sogar Spielmacher Tomas Rosicky muss dem Jugendwahn weichen. Bob Dylan hätte den Soundtrack liefern sollen
DORTMUND taz ■ In der 56. Spielminute wurde Dortmunds vermeintlicher Spielmacher Tomas Rosicky durch Marc-André Kruska ersetzt. Nur eine statistische Randnotiz? Mehr, viel mehr. Der 17-jährige Nuri Sahin und der 18-jährige Kruska sollten nun die offensive Mittelachse von Borussia Dortmund bilden – und dafür sorgen den knappen, wie wackeligen 1:0-Vorsprung im Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach zu verteidigen. Trainer Bert van Marwijk war sich „des Risikos wohl bewusst“, wie er hinterher zugab. Der 2:1-Erfolg gab ihm letztlich recht. Mehr noch: „Wir können froh sein, mit einem solch jungen Mittelfeld ein Spiel zu gewinnen“, so van Marwijk.
Auf die jugendliche Erlösung mussten die Dortmunder Borussen lange warten. Auch die relativ souverän herausgespielte 1:0-Führung zur Halbzeit mochte niemanden wirklich überzeugen. Die Negativ-Erfahrungen der letzten Wochen, mit ebenso vermeidbaren, wie späten Gegentoren, die den Borussen sicher geglaubte Siege entrissen, wirkten nach. „Wir wissen ja, dass die Mannschaften von Bert van Marwijk immer gut austrainiert sind“, lautete einer von vielen sarkastischen Kommentaren zur Halbzeitpause. Das späte Gegentor gab es auch diesmal. Oliver Neuville erzielte es in der Nachspielzeit. Der Unterschied zu den voran gegangenen Spielen: Kurz zuvor hatte Ebi Smolarek zum 2:0 für Dortmund getroffen und die zitternde BVB-Gemeinde befriedigt. „Die richtig gute Chance hat uns gefehlt“, sagte Gladbachs-Trainer Horst Köppel. Seine Borussen verloren erstmals nach fünf erfolgreichen Spielen.
„Wir haben Luft nach unten und blicken nach oben“, sagte Sebastian Kehl – mit 25 Jahren war er am Samstag der Senior im erfolgreichen Dreiermittelfeld. Wie er sich denn so fühle, mit dem „Kindergarten“ vor der Brust? „Erwachsen“, lachte Kehl. Seine beiden Mitstreiter grinsten erleichtert, ohne viel sagen zu wollen. Bert van Marwijk hofft nun, seinen Youngstern beim stetigen Erwachsenwerden möglichst lange zuschauen zu können – als glücklicher Vater der BVB-Familie. „Wir brauchen zwar noch Zeit, aber uns gehört die Zukunft“, weckte er allzu große Erwartungen.
Das Spiel zeigt auch bei den Fans Wirkung. Abends beim Konzert von Bob Dylan in Oberhausen tauchte plötzlich ein schwarz-gelb gekleidetes Pärchen auf. BVB-Trikot, den Schal um die Hand gebunden, ein glückliches bierseliges Lächeln im Gesicht. Die beiden hatten sich kurzfristig dazu entschieden, die Fanmontur nach dem Erfolg des Borussen-Nachwuchses zum Konzert des alten Meisters anzubehalten. Und sie wurden belohnt. Dylan und Band zeigten sich in wunderbarer Spiellaune. Das mittelalte Publikum johlte. Als letzte Zugabe spielte Dylan „All along the Watchtower“ in einer sehr harten, rockigen Version: „There must be some way out of here.“
Dachten die Verantwortlichen des BVB wohl auch. Und es scheint tatsächlich als hätten sie den Ausweg, nach all den Misserfolgen und finanziellen Desastern – „Businessmen, they drink my wine, plowmen dig my earth“ – endlich gefunden. Dem Nachwuchs sei Dank. Doch was wird aus dem verlorenen Sohn Tomas Rosicky? „I ain‘t gonna work on Marwijk‘s farm no more“, denkt er seit Wochen. Und seit Samstag natürlich: „I shall be free No. 10.“ HOLGER PAULER