: „Die Manager hier sind bloß Verwalter“
Keine Investitionen und fehlender Mut zu Entscheidungen. JVC-Betriebsrat Harald van Zuijlen macht die Leitung des Elektronikkonzerns für die am Freitag bekannt gewordene Schließung des Reinickendorfer JVC-Werks verantwortlich
taz: Herr van Zuijlen, die Berliner Konzernleitung sagt, dass das JVC-Werk wegen Preisverfall und steigender Kosten de facto zumachen müsste. Sind das die Gründe?
Harald van Zuijlen: Nein, es liegt eher daran, dass in unserem Werk seit Jahren nichts erneuert wurde. Wir haben bis vor zwei Jahren noch Videorekorder hergestellt, erst seit kurzem fertigen wir DVD-Geräte. Und die haben wiederum oft technische Probleme, mit denen das Management wohl nicht gerechnet hat. Auch Camcorder stellen wir her – in einer Ausführung, für die weniger Zoll gezahlt wird, das schien dem Konzern gewinnträchtig. Aber leider verkauft sich diese Art Camcorder nicht mehr gut.
Dann ist die Entscheidung der Manager also richtig? Sie produzieren in Reinickendorf Auslaufmodelle, und daher müssen Sie zumachen?
Das ist nur zum Teil richtig. Viel bedeutsamer ist, dass vor allem die Strukturen hier ein Auslaufmodell sind. Die Manager vor Ort konnten oder wollten keine neuen Dienstleistungen anbieten. Das lässt die überkommene Hierarchie nicht zu. Statt Entscheider zu sein, sind sie nur Verwalter der Anweisungen aus Japan. Das ist bei Samsung übrigens ähnlich. Für uns im Betriebsrat hat sich die heutige Situation bereits früher angekündigt. Darum haben wir eine Studie über Alternativen machen lassen. Aber die Konzernleitung hat uns ausgelacht. Man sagte, unsere Ideen wären Quatsch.
Was hätten die Manager tun sollen? Die Abteilung für neue Produktentwicklungen sitzt nicht in Berlin.
Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Unsere Probleme mit den DVD-Spielern haben andere Werke in Europa auch. Also könnten wir die deutschland- oder europaweite Dienstleistung anbieten, diese Probleme zu beheben.
Reicht das aus, um über 200 Beschäftigte zu bezahlen?
Das ist nur eine von vielen Ideen. Und der externe Wirtschaftsberater, mit dem wir die ausgearbeitet haben, hat mit seinen Plänen auch dafür gesorgt, dass Bosch-Siemens noch immer in Berlin produziert.
Könnten die Mitarbeiter von JVC denn woanders Arbeit finden?
Das würde schwer werden. Von den 130 Leuten in der Produktion haben die meisten ihr Leben lang sehr einfache Tätigkeiten am Fließband gemacht. Viele sind über 50 Jahre alt so wie ich. Daher sehen unsere Chancen auf dem Jobmarkt nicht allzu gut aus, wenn wir entlassen werden.
Auch das Samsung-Werk in Schöneweide soll geschlossen werden. Der dortige Betriebsrat Wolfgang Kibbel sagt, er wolle nun gemeinsam mit Ihnen handeln. Werden Sie streiken?
Wir reden am Montag darüber, Streik ist zurzeit noch sehr fern. Druck werden wir aber machen müssen. Ich weiß, dass es der JVC-Leitung nicht gefallen wird, in einem Atemzug mit Samsung genannt zu werden, die hier keinen guten Ruf mehr haben. Aber kampflos aufgeben kommt nicht infrage.
INTERVIEW: DANIEL SCHULZ