Berliner Szenen: Flirten 2015
Ich bin raus
Was haben wir getanzt dieses Wochenende! Ich konnte kaum noch laufen am Sonntag. Es ist immer dasselbe: Auf langweiligen Partys trinkt man zu viel und hat nachher Kopfschmerzen. Nach guten Partys tut dir alles weh.
Es war eine Geburtstagsfete in einem Glaskasten auf der Karl-Marx-Allee. Draußen schob der Nebel über den Bürgersteig, drinnen beschlugen die Scheiben von unserer Hotness. Frieda erzählte mir erst Tage später, mit wem sie alles geknutscht hat. Ich habe zumindest mit jedem getanzt. Ein spanisch sprechender Junge war dabei, der war sehr sexy und einen Kopf kleiner als ich. Und trotzdem hatte er keinerlei Probleme, mich festzuhalten. Irgendwann fragte er mich auf Englisch, ob ich mit zur Toilette kommen wolle? Ich dachte kurz nach. Was hatte er eben gesagt? „To go to the toilette with me“. Das war eindeutig. Da gab es nichts misszuverstehen. Beziehungsweise alles. Was wollte er denn auf der Toilette? War das Türschloss kaputt und ich sollte Schmiere stehen? Unwahrscheinlich. Oder war das eine Sexeinladung? Ich lehnte dankend ab. Mein Papa hat mir seit frühester Kindheit verklickert, ich solle mir nichts Fremdes von Süßen andrehen lassen. Ja, nichts Fremdes von Süßen. Das hat er gesagt.
„No, thank you“, sagte ich lachend. – „It’s your choice“, sagte der Süße. – „Really not“, sagte ich und küsste ihn auf den Mund.
Gestern erzähle ich Frieda die Geschichte. „Das war ein Drogenangebot“, sagt sie. – „Echt?“, sage ich, „was denn für Drogen?“ – „Koks wahrscheinlich“, sagt Frieda. – „Kein Sex?“, sage ich. – „Vielleicht später“, sagt Frieda. Ich denke nach. „Also ist ‚Willst du mit mir zur Toilette kommen?‘das neue ‚Darf ich dir einen Drink spendieren?‘Der neue erste Schritt zum Kennenlernen?“ Frieda überlegt. Und nickt. „Sozusagen.“
Flirten 2015. Ich bin so was von raus. Aber zumindest das Tanzen wird noch verstanden.
Lea Streisand
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