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THEATER

TheaterEsther Slevogtbetrachtet das Treibenauf Berlins Bühnen

Flüchtlinge, Flüchtlinge, Flücht­linge. Oder müsste man Geflüchtete sagen? Die Sprachabtaster sind gerade dabei, die semantischen Felder zu vermessen. Die, die gerade von weither kommen oder gekommen sind und der Umgang mit ihnen durch die Alteingesessenen ist jedenfalls Thema des Jahres. Im Gorki-Theater kommt es nun noch einmal grundsätzlich auf die Agenda. Und zwar mit einem Text, der den Bogen über zweieinhalb Jahrtausende spannt. Von Aischylos’ Tragödie über fünfzig Königstöchter, die sich ihrer Zwangsverheiratung durch Flucht übers Mittelmeer entziehen, bis zu einer Gruppe von Flüchtlingen, die 2013 aus der Wiener Votivkirche vertrieben wurden, wo sie Zuflucht gefunden hatten. In ihrem Text „Die Schutzbefohlenen“ verhandelt Elfrie­de Jelinek den Vorfall, kommentiert ihn, bezieht sich dabei auf die Aischylos-Tragödie und webt Worthülsen aus Politik und Medien mit ein. Das Stück ist viel gespielt, seit Nicolas Stemann es 2014 in Mannheim uraufführte. Nun hat Elfriede Jelinek dem Text eine Fortschreibung hinzugefügt: „In unserem Namen“. Sebastian Nüblings Inszenierung der Neufassung kommt am13. November im Gorki-Theater heraus (Gorki-Theater: „In unserem Namen“, Premiere 13. 11., 20 Uhr).

Gerahmt wird die Aufführung vom 2. Berliner Herbstsalon, der das historische Gelände rund um das Gorki-Theater für zwei Wochen als Ausstellungs­parcours nutzt. Dreißig internationale Künstlerinnen und Künstler wurden eingeladen, an diversen Schauplätzen Gegenwart und Vergangenheit zu spiegeln und zu erkunden: nämlich am Theater selbst, der Neuen Wache oder dem Palais am Festungsgraben gegenüber dem Deutschen Historischen Museum. Idealerweise werden hier dann Fragen nach Identität, Deutschsein und Nation untersucht und zerfleddert und hoffentlich produktiv wieder neu zusammengesetzt (Gorki-Theater: 2. Berliner Herbstsalon, 13. bis 29. 11.).

Ja, und dann bliebe an dieser Stelle noch, auf eine Veranstaltung mit dem hinreißenden Titel „Ich habe um Hilfe gerufen. Es kamen Tierschreie zurück“ im HAU hinzuweisen. Dort nämlich beginnt am 12. November das Festival „Marx Gespenster“, das sich in unseren raubtierkapitalistischen Zeiten noch mal mit den Gespenstern einer Vergangenheit befasst, die einmal glaubte, dass ihr die Zukunft gehört. Aber wer weiß, vielleicht wird das ja noch. „Ich habe um Hilfe gerufen ...“ ist ein Zweipersonenstück (wenn man die Raubtiere nicht mitzählt) von Schorsch Kamerun, das er zusammen mit Fabian Hinrichs und PC Nackt spielen wird (HAU: „Ich habe um Hilfe gerufen ...“, Premiere: 14. 11., 20 Uhr).

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