: Cheney verliert seinen ersten Offizier
Nach der Anklage wegen Falschaussagen in der CIA-Enttarnungsaffäre tritt der Stabschef des US-Vizepräsidenten zurück. Bushs stärkster Mann, Karl Rove, scheint zunächst knapp davongekommen. Doch Sonderermittler Fitzgerald bohrt weiter nach
VON BERND PICKERT
US-Präsident George W. Bush, und vor allem sein Vizepräsident Richard Cheney, haben einen hochrangigen Mitarbeiter weniger: Nur Stunden, nachdem Sonderermittler Patrick Fitzgerald am Freitag verkündete, gegen Cheneys Stabschef, Lewis „Scooter“ Libby Anklage wegen Falschaussage und Behinderung der Justiz zu erheben, trat Libby von seinem Amt zurück.
Fitzgerald und seine Grand Jury ermitteln seit 22 Monaten, welche Regierungsstelle Mitte des Jahres 2003 die Information verbreitet hatte, dass es sich bei Valerie Plame, der Ehefrau des ehemaligen US-Botschafters Joseph Wilson, um eine CIA-Agentin handelte. Die Enttarnung verdeckt operierender GeheimdienstmitarbeiterInnen ist in den USA ein Straftatbestand. Der Verdacht lag nahe, es habe sich bei der Enttarnung seiner Frau um einen politischen Racheakt an Joseph Wilson gehandelt. Der, ein halbes Jahr zuvor beauftragt, der angeblichen Irak-Niger-Uran-Connection nachzugehen, für die er keinerlei Beweise gefunden hatte, hatte damals in einem New York Times-Artikel die Regierung bei der Vorbereitung des Irakkriegs offen der Lüge bezichtigt.
Im Visier Fitzgeralds stand neben Libby vor allem der starke Mann an Bushs Seite, sein engster Berater und Stabschef im Weißen Haus, Karl Rove. Die Untersuchungen über dessen Beteiligung am Enttarnungsskandal dauern noch an, auch wenn er zunächst nicht angeklagt wurde. Bei der Anklage gegen Libby geht es vor allem um den Zeitpunkt, an dem er von der CIA-Tätigkeit Valerie Plames erfahren hat. Er selbst hatte ausgesagt, erst im Gespräch mit einem Reporter davon gehört zu haben – die Ermittler hingegen haben herausgefunden, dass er aus mindestens drei unterschiedlichen Quellen schon einen Monat vorher davon wusste: Von seinem Chef Cheney, vom Außenministerium und von der CIA. „Das führt zu der Frage: Was will er verbergen?“, kommentierte der demokratische Senator Charles Schumer am Samstag.
Libby will nach ersten Aussagen seines Anwalts seine Verteidigungsstrategie auf Erinnerungslücken aufbauen: Er könne einfach Monate später nicht mehr sagen, mit wem er in jenen hektischen Tagen zuerst über etwas gesprochen habe, werde er ausführen und so den Verdacht zerstreuen, dass er die Ermittler bewusst angelogen habe.
Präsident Bush selbst hat bislang zur Anklageerhebung nicht Stellung genommen. Er habe, berichten Medien unter Berufung auf Quellen im Weißen Haus, erleichtert darauf reagiert, dass sein Stabschef Karl Rove nicht angeklagt worden war.
Dennoch: Der Prozess gegen Libby, selbst wenn es zunächst dabei bliebe, könnte auf eine umfassende Aufarbeitung der Propagandamaschinerie zur Vorbereitung des Irakkriegs hinauslaufen. Denn im Kern steht dahinter die Frage, ob das Weiße Haus damals nicht nur unzureichenden geheimdienstlichen Informationen geglaubt hat, wie es bisher die offizielle Lesart war, sondern wissentlich Lügen und Falschaussagen verbreitet und Kritiker zum Schweigen gebracht hat.
Eine solche Aufarbeitung kann der schwer angeschlagene US-Präsident kaum vertragen. Das Untersuchungsverfahren gegen engste Mitarbeiter folgt auf den Rücktritt seines Kettenhundes im Kongress, Tom DeLay, und die Zurückweisung seiner Kandidatin zum Obersten Gerichtshof, Harriet Miers – das alles vor dem Hintergrund einer anhaltend schlechten Stimmung gegenüber dem Irakkrieg. Schon überlegen die Kommentatoren der US-Presse, wie Bush seine Präsidentschaft wiederbeleben könnte.
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