: Man liest unter sich
STANDORTGETROMMEL Merkwürdiger Zwitter: Gesponsert von der Marketing-GmbH, geben Hamburgs Historische Museen ein Hochglanz-Geschichts-Magazin heraus – mit Platz für Olympia-Werbung
Das Covermotiv: irgendwas zwischen Grünem Hügel und Englischem Garten. Es sind die Hügel des Hamburger Stadtteils Blankenese, gemalt im Jahr 1811 von Ludwig Philipp Strack. „Kleines Nizza an der Elbe“ haben sie darüber gedruckt, die Macher des Magazins Hamburg History Live!.
Aufgemacht also wie eine Merian-Kopie, wird das Heft herausgegeben von der Stiftung Historische Museen Hamburg. Bestückt haben es – kostenneutral – Wissenschaftler eben der darin organisierten Museen, die Texte handeln von Hamburgs Kampf gegen die Piraterie, von der örtlichen Bierbrauer-Tradition oder der großen Reederei Laeisz. Es gibt aber auch den anonym verfassten Auftakt zur Serie „Restaurants mit Vergangenheit“, und da ist dann ein Artikel über ein gehobenes Jugendstil-Etablissement mit „Man isst unter sich“ betitelt.
Eine andere Serie, „Hamburgs schönste Bauwerke“, beginnt mit Einlassungen zur Speicherstadt, als sei die etwas Neues. Pflichtschuldig, fast fremdelnd zwischen all dem Hanseaten-Glanz finden sich Ausstellungsankündigungen sowie ein Lobpreis auf den „Kinder-Olymp“ im Altonaer Museum.
Was genau macht in einem „History“ im Titel tragenden Magazin aber ein „Pro und Contra Olympia“ – exakt einen Monat, ehe die Hamburger darüber abstimmen dürfen? Chefredakteurin Angelika Jahr sagte bei der Präsentation dieser Tage bloß, diese Debatte werde „ja dereinst historisch“ sein. Die Hamburger Marketing-GmbH jedenfalls, die eine fünfstellige Anschubfinanzierung gab, dürfte das Thema gern sehen – zumal Unternehmer Alexander Otto da nicht nur für eine Olympia-Bewerbung plädiert, sondern auch gleich noch gleich eine große Anzeige schaltete. Weitere Anzeigenkunden: das Fairmont Hotel Vier Jahreszeiten, Kaffee-Mogul Darboven, ein Antiquariat.
Börries von Notz, Geschäftsführer der Museumsstiftung und also Herausgeber von Hamburg History Live!, bestreitet zwar, vor allem das obere Segment Hamburgischer Gesellschaft abzubilden und Problematisches auszusparen. Genau das aber legt die erste Ausgabe nahe – und Branchendiensten gegenüber räumte man ein, sich an „gebildetes Publikum mit hohem Einkommen“ zu richten.
Was aber noch mehr fehlt als etwa eine Ankündigung der anstehenden Ausstellung über Zwangsarbeiter, ist ein Gesamtkonzept. Schließlich will das Heft, das auch in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Berlin verkauft wird, sowohl Hamburger als auch Touristen erreichen. Ob sich das rechnet, will von Notz nach drei Ausgaben entscheiden: So weit reicht die Anschubfinanzierung. PS
Die erste Ausgabe von „Hamburg History Live!“ ist seit gestern erhältlich
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