: Widerstandsnest auf Weltreise
Eine politische Reisegruppe aus Sarayaku in Ecuador bereist Nordrhein-Westfalen. Das Bundesland trägt eine Mitschuld an der Erdölindustrie im Amazonas-Urwald, gegen die sich die indigenen Dorfbewohner hartnäckig wehren
LAGE/HÖRSTE taz ■ Patricia Gualinga strahlt Optimismus aus: „Venceremos! Wir werden siegen!“ Die junge Frau vom Stamm der Kichwa-Indianer ist gerade auf einer Besuchsreise durch Nordrhein-Westfalen. Eigentlich lebt sie in Sarayaku, einer 1.500-Seelen-Gemeinde im Amazonasgebiet von Ecuador. Dort muss sie sich mit Problemen herumschlagen, die auch durch das Bundesland Nordrhein-Westfalen, genauer gesagt, durch die Westdeutsche Landesbank (WestLB) verursacht wurden: Die WestLB vergab einen 900 Millionen Kredit an das Erdölkonsortium OCP, damit dieses eine zweite Erdölpipeline quer durch das Äquatorland bauen konnte.
Trotz viele Pannen und heftigem Widerstand gegen das ökologisch mehr als umstrittene Projekt (taz berichtete) läuft nun Erdöl durch die Rohre. Die Betreiber haben allerdings ein Problem: Es läuft zu wenig Öl. Patricia: „Die haben sich verkalkuliert.“ Deshalb haben die Ölfirmen im Südens Ecuadors nach Probebohrungen weitere Erdölvorkommen entdeckt. Unter anderem in Sarayaku.
Seither müssen sich die Dorfbewohner mit ungebetenen Gästen der Erdölindustrie auseinander setzen. „Das ist unser Land, wir haben es an niemanden verkauft,“ sagt Patricia – also hätten sie ihre Kriegsbemalung aufgelegt, die Speere genommen und die Erdölarbeiter verjagt: „Die Erdölförderung zerstört unsere Lebensgrundlage“. Doch dann kam das Militär. Vor allem die Frauen wurden überrumpelt, entwaffnet und vertrieben. Und schließlich winkten die Firmen mit Geld. Aber wieder sagten die Indianer von Sarayaku: ‚No‘ – „Wir lassen uns nicht durch Geld und Geschenke spalten“, sagt Patricia.
Mittlerweile hat sich die Dorfgemeinschaft an die Internationale Menschenrechtskommission in Washington gewandt. Und weil von dort ein positiver Bescheid signalisiert wurde, steht das Dorf nun unter dem Schutz der internationalen amerikanischen Staatengemeinschaft. Auch Erdölfirmen und die ecuadorianische Regierung respektieren das. „Sarayaku ist ein Präzedenzfall geworden, wie in Südamerika mit den Rechten der Ureinwohner umgegangen wird“, glaubt deshalb Siegmund Thies, ein in Quito lebender Fernsehjournalist: „An Sarayaku orientieren sich alle anderen Dörfer des Südens, die die gleichen Probleme haben.“
Das hat auch die Grünen-Fraktion im Landtag erkannt. Patricia und ihr Bruder Heriberto wurden deshalb in den Landtag eingeladen. Die Eine-Welt-Politische Sprecherin der Grünen, Andrea Asch, begrüßte unterdessen, dass sich die WestLB zu einem Nachhaltigkeitsmanagement verpflichtet hat: „Den Worten müssen jetzt auch Taten folgen“, sagt Asch – die einstige Landesbank müsse auch einmal einen Kredit verwehren, wenn dieser ethisch nicht zu verantworten sei.
Auch in diesem Punkt blieb der bisherige Widerstand gegen den Pipeline-Bau nicht ganz folgenlos: Es sei sicherlich als Erfolg zu sehen, meint Siegmund Thies, dass sich die WestLB an der Finanzierung von Sekundär-Pipelines in Ecuador nicht mehr beteiligt habe. Heriberto, der einen Film über den Kampf von Sarayaku gedreht hat, und Patricia bleiben jedenfalls entschlossen: „Wir werden unser Dorf mit allen Mitteln verteidigen“. Sie rechnen dabei mit der internationalen Solidarität und auf Unterstützung von Greenpeace und Amnesty International. Wichtige Hilfe kommt bereits vom Zoo in Osnabrück: Der hat eine Patenschaft für die Tapire im Sarayaku-Gebiet übernommen hat. Weitere Paten werden gesucht. FRANK BIERMANN