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Archiv-Artikel

Im Krankenhaus kämpft jeder für sich

Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di wirft der Klinikärzte-Organisation Marburger Bund „Standesdünkel“ vor

Von ROT

Für einen Unternehmer muss es eine bequeme Situation sein: Während er mit seinen Beschäftigten über Lohn und Gehalt verhandelt, beginnen die, sich untereinander zu zerstreiten – um jeweils für sich das meiste herauszuholen. So ist es zurzeit bei der Charité, wo der Streit zwischen Ärzten einerseits und Pflege- und Verwaltungspersonal andererseits immer schärfer wird. „Wir sind die Leistungsträger“, sagen die einen; „Entsolidarisierung“ die anderen. Das Land Berlin – Herr im Hause beim größten Arbeitgeber der Stadt – könnte sich also genüsslich zurücklehnen und abwarten, drängte nicht die Lösung struktureller Probleme (siehe Bericht oben).

Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, die für sich die Vertretung aller Berufsgruppen im Krankenhaus in Anspruch nimmt, hält jedenfalls das aktuelle Tarifangebot der Charité-Leitung für nicht hinnehmbar; mit den gestrigen Protesten sollten noch einmal die Reihen geschlossen werden. Heute will die Ver.di-Tarifkommission über das weitere Vorgehen beraten – Streik nicht ausgeschlossen.

Über die Ärzte-Organisation Marburger Bund ärgert sich Ver.di-Gesundheitsexpertin Heike Spieß allerdings. Bei der schwierigen Lage der Charité – das Fallpauschalengesetz und Subventionskürzungen des Landes drücken auf die Einnahmen – säßen alle in einem Boot. „In dieser Situation Gehaltserhöhungen von 30 Prozent zu fordern, ist unsolidarisch.“ Diese könnten nur zu Lasten der anderen Beschäftigten gehen. „Das ist reiner Standesdünkel“, so Spieß. Allerdings gebe es auch Ärzte, die diese Politik des Marburger Bundes nicht mittragen wollten.

Der Marburger Bund in Berlin-Brandenburg hingegen will „eine Sanierung der Charité auf dem Rücken der Ärzteschaft“ nicht widerstandlos hinnehmen, heißt es in einer Erklärung. Die Charité verlange Spitzenmedizin, aber der Senat kürze überproportional die Mittel für Forschung und Lehre. „Mit dieser Sparpolitik zu Lasten der Ärztinnen und Ärzte“ werde „der Wissenschaftsstandort ernsthaft gefährdet“. Um seine Interessen durchzusetzen, hatte der Marburger Bund Ver.di im September die Verhandlungsvollmacht für den Abschluss neuer Tarifverträge entzogen. Jeder kämpft halt für sich allein. ROT