: Berliner und Bremer rauchen am meisten
Tabakatlas Jeder Vierte greift regelmäßig zur Zigarette. Das Proletariat qualmt besonders gerne
Fünf Jahre lang hat Martina Pötschke-Langer an der zweiten Auflage des Atlas gearbeitet. „Die Zigarette ist und bleibt ein Giftgemisch“, fasste die Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention im DKFZ die Ergebnisse zusammen. Kein anderes Land in der EU hat sich die Mühe gemacht, die Raucherdaten zusammenzutragen.
Aufgeschreckt hat Pötschke-Langer vor allem die hohe Zahl an Todesfällen verursacht durch Rauchen. Jedes Jahr sterben rund 121.000 Menschen in Deutschland an den Folgen des Tabakkonsums. Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Tuberkulose, Diabetes, Erektionsstörungen: Die Liste der Raucherkrankheiten ist lang.
Jeder vierte Erwachsene in Deutschland raucht regelmäßig, etwa jeder dritte Mann und jede fünfte Frau. Männliche Raucher sterben auch doppelt so oft durch den Tabakkonsum wie Frauen. Die meisten Todesfälle gibt es in Bremen und Berlin. „Rauchen ist das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko“, kommentierte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), den Tabakatlas. „Hier geht es um die Wurst – aber im übertragenen Sinne.“
Weit über 60 Prozent der Raucher versuchen wenigstens einmal im Leben mit dem Rauchen aufzuhören. Bei wie vielen es tatsächlich klappt, ist nicht erfasst. Präventionskampagnen scheinen laut Atlas vor allem bei Kindern und Jugendlichen zu wirken. Seit 2009 sank die Quote hier stetig. Von den 11- bis 17-Jährigen rauchen insgesamt nur noch zwölf Prozent. Viele von ihnen steigen aber auf E-Zigaretten oder E-Shishas um. Rund ein Drittel der 12- bis 17-Jährigen hat bereits Wasserpfeife geraucht, und ein Viertel hat E-Zigaretten ausprobiert.
Den Angaben nach teilen sich vier Hersteller mehr oder minder den deutschen Zigarettenmarkt. Zu den Marktführern zählen Philip Morris Germany, die Reemtsma Cigarettenfabriken, British American Tobacco Germany und Japan Tobacco International Germany. Allein 2014 wurden rund 80 Millionen Zigaretten verkauft. In den 90er Jahren erreichte die Branche noch Spitzenwerte von mehr als 146 Millionen Stück pro Jahr.
Auch der Staat verdient nicht schlecht am Verkauf der Zigaretten. Der Steueranteil macht etwa drei Viertel des Preises aus. Im Jahr 2014 flossen darüber etwa 12,26 Milliarden Euro in den Staatshaushalt. Krebsexpertin Pötschke-Langer würde die Steuersätze gerne nach oben schrauben und damit die Packungspreise am liebsten verdoppeln. Nach ihrer Rechnung kostet das Rauchen Staat und Wirtschaft jedes Jahr rund 80 Milliarden Euro. Es sind nicht nur die Gesundheitskosten, die zu Buche schlagen, sondern auch die Firmen leiden unter den Rauchern. Raucherpausen und Frühverrentungen würden laut Pötschke-Langer mehr als 50 Milliarden Euro im Jahr ausmachen.
Auch die Drogenbeauftragte Mortler würde gerne die Steuern auf Tabakprodukte erhöhen. Schließlich hält sie die Abgabe für ein „gutes Instrument“, um die Zahl der Raucher in Deutschland zu reduzieren. Doch sie weiß auch, dass ein solcher Vorstoß derzeit keine realistischen Chancen hat. Tanja Tricarico
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen