: Polen bekommt Minderheitsregierung
Nach dem endgültigen Scheitern der Koalitionsgespräche verteidigt der scheidende Präsident Kwaśniewski die neue Regierung unter Premier Kazimierz Marcinkiewicz. Linkspopulisten und Rechtsradikale signalisieren ihren Willen zur Zusammenarbeit
AUS WARSCHAU GABRIELE LESSER
Polen hat eine neue Regierung. Anders als angekündigt ist es aber keine Koalition aus der nationalkonservativen Recht und Gerechtigkeit (PiS) und der konservativ-liberalen Bürgerplattform (PO), sondern eine Minderheitsregierung. Die PiS will alleine regieren. Sie wird auf wechselnde Mehrheiten angewiesen sein, doch sowohl die linkspopulistische Bauernpartei Selbstverteidigung (Samoobrona) als auch die rechtsradikale Liga der polnischen Familien bekundeten ihren Willen zur Zusammenarbeit.
Nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen am Donnerstag hatte der designierte Premier Kazimierz Marcinkiewicz überraschend angekündigt, dass die neue Regierung schon am Montag vereidigt werden könne. Er habe schon für fast alle Ministerien geeignete PiS-Politiker oder parteilose Experten gefunden. Ein letzter Versuch der PO, die Koalition noch zu retten, scheiterte Sonntagnacht.
So vereidigte der scheidende Präsident Aleksander Kwaśniewski am Montag die Minderheitsregierung unter dem PiS-Bildungsfachmann Kazimierz Marcinkiewicz. Am 10. November will Marcinkiewicz das Regierungsexposé vorstellen und die Vertrauensfrage stellen. Die neuen Minister wollen sofort die Arbeit aufnehmen.
Erst am 23. Dezember, wenn der bisherige Oberbürgermeister Warschaus und PiS-Ehrenvorsitzender Lech Kaczyński als Präsident vereidigt wird, ist der Machwechsel in Polen vollkommen. Die PiS, die aus der Freiheits- und Gewerkschaftsbewegung Solidarność hervorging, wird das postkommunistische Bündnis der demokratischen Linken (SLD) ablösen. Sie wird nicht nur die Regierung stellen, sondern auch den Präsidenten und die Vorsitzenden der beiden Kammern des Parlaments.
Wie erwartet ist Ludwik Dorn neuer Innenminister und stellvertretender Regierungschef. Der bisherige Fraktionsvorsitzende der PiS zählt zu den engsten Mitarbeitern des Parteivorsitzenden Jaroslaw Kaczyński. Neuer Wirtschaftsminister ist Piotr Woźniak. Der Wirtschaftsexperte hatte den Gashandelsvertrag mit Norwegen vorbereitet, um Polens Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen zu mindern. Doch die SLD-Regierung unter Leszek Miller unterzeichnete den Vertrag nicht. Das norwegische Gas schien ihr zu teuer. Diese Lösung könnte angesichts des Konflikt um die Ostsee-Pipeline wieder aktuell werden. Neuer Außenminister ist Stefan Meller. Er war 1995 Vize-Außenminister, danach Botschafter in Frankreich und Moskau.
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