Städte: Hartz IV nur gekürzt bezahlbar

Städtetagspräsident Ude bezweifelt, dass so viele Menschen Hartz IV missbrauchen, wie Wirtschaftsminister Clement sagt. Deshalb glaubt er auch nicht, dass es reicht, nur strenger zu kontrollieren: „Wir müssen bei den Leistungen ansetzen“

VON JAN PFAFF

Der Deutsche Städtetag fordert Änderungen beim Arbeitslosengeld II, um die Kosten bei Hartz IV in den Griff zu bekommen. Dabei wollen die Städte auch bei den Leistungen kürzen. „Wenn die Kosten anders nicht beherrschbar sind, müssen wir bei den Leistungen ansetzen und den Kreis der Berechtigten verkleinern“, sagte gestern der Präsident des Deutschen Städtetages, Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD).

Der scheidende SPD-Chef Franz Müntefering hatte dagegen betont, dass die Leistungen bei ALG II nicht gekürzt werden sollen. Stattdessen wollen SPD und Union schärfer gegen den Missbrauch von Leistungen vorgehen. Zudem wird in den Koalitionsverhandlungen überlegt, Eltern wieder für den Unterhalt ihrer arbeitslosen Kinder aufkommen zu lassen, selbst wenn diese nicht mehr im elterlichen Haushalt wohnen.

Grund für diese Überlegungen ist, dass die Hartz-IV-Reform viel teurer wird als angenommen. Statt 14 Milliarden Euro kostet die Umstellung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe auf ALG II in diesem Jahr voraussichtlich 26 Milliarden.

Als Beispiel für massenhaften Missbrauch staatlicher Leistungen nennen Kritiker meist die gestiegene Zahl der Bedarfsgemeinschaften. Viele Arbeitslose gründeten nur deswegen einen eigenen Haushalt, um die Unterstützung vollständig zu bekommen. Blieben sie in einem Haushalt mit ihrem Partner oder den Eltern wohnen, müssten diese für ihren Unterhalt aufkommen.

Auf rund 400.000 schätzt der Deutsche Städtetag die Zahl der Haushalte, die extra wegen Hartz IV neu geschaffen wurden. „Der Bund hat die Zahl der Bedarfsgemeinschaften aber von vornherein viel zu niedrig veranschlagt“, sagte Stephan Articus, Geschäftsführer des Städtetages. Daher habe der Bund sich insgesamt um eine Millionen Bedarfsgemeinschaften verschätzt.

Die Kommunen wollen ebenfalls, dass die Kriterien für die Anerkennung der Ein-Personen-Gemeinschaften verschärft werden. „Es geht nicht an, dass man allein durch einen Auszug neue Ansprüche stellen kann“, sagte Christian Ude. Die Bedarfsgemeinschaften sollen zudem schärfer kontrolliert werden, um Missbrauch durch Scheinhaushalte zu verhindern.

Allerdings bezweifelt der Städtetagspräsident, dass allein durch die Bekämpfung von Missbrauch größere Summen bei Hartz IV eingespart werden können. Nur ein Bruchteil der Mehrkosten ist nach Schätzungen der Städte auf Missbrauchsfälle zurückzuführen.

„Missbrauch gibt es, aber das ist nicht das Hauptproblem“, sagt Christian Ude. Die von dem scheidenden Wirtschaftsminister Wolfgang Clement losgetretene Debatte um Hartz-IV-Abzocker hält der Münchner Oberbürgermeister deshalb für völlig überzogen.

Mit der Arbeitsmarktreform hat sich vielmehr der Kreis der Leistungsempfänger erweitert, die zu Recht Geld vom Staat erhalten. Als Grund nennt Ude auch, dass die Hilfe von der Arbeitsagentur gesellschaftlich nicht so stigmatisiert sei wie der Gang zum Sozialamt. Deshalb gebe es mehr Antragsteller als erwartet. Außerdem habe sich die Lage der Langzeitarbeitslosen seit Einführung der Reform keineswegs verbessert, sagte Ude. Daher würden die Haushalte dadurch auch nicht entlastet.

Um den rapiden Kostenanstieg von Hartz IV zu stoppen, schlägt der Städtetag unter anderem vor, das Vermögen der Antragsteller anders zu berechnen. So müssten zum Beispiel Autos, wie bei der Sozialhilfe auch, zum Vermögen dazugezählt werden.

Vor allem wollen die Städte jedoch den Freibetrag kürzen, den ein ALG-II-Empfänger dazuverdienen darf. „Durch den höheren Freibetrag hat sich ALG II von der ursprünglichen Idee entfernt, das Ganze auf dem Niveau der Sozialhilfe zu halten“, sagt Stephan Articus. Dadurch gebe es mehr Berechtigte als geplant, was der Hauptgrund für die Kostenexplosion sei.

In den Koalitionsverhandlungen wird jedoch nicht nur über Kürzungen debattiert. So hat der Arbeitnehmerflügel der CDU statt Einschnitten beim ALG II gefordert, die Leistungen auszuweiten. Langjährige Arbeitnehmer müssten bei der Berechnung von ALG II besser gestellt werden als Jüngere, forderte der Vorsitzende der CDU-Sozialausschüsse, Karl-Josef Laumann.