Den Newsletter der Piratenpartei abzubestellen ist gar nicht so einfach: So was von 20. Jahrhundert
Zumutung
von Anja Maier
Die Piraten. Erinnert sich noch jemand an sie? Spaßige Typen, die informationstechnisch offenbar unmittelbar davor standen, die Welt zu retten. Falls das nicht gelänge, würden sie schon mal anfangen, in Stadt und Land die nötige Technik zu fordern für maximale Vernetzung bei minimaler Überwachung. (Oder so ähnlich. Ganz habe ich das nie verstanden.) Auf jeden Fall: Digitale Revolution. Mit Bürgerrechten. Wer kann dazu schon Nein sagen?
Vor etwa drei Jahren kamen selbst Nullen wie ich nicht mehr an den Piraten vorbei. In Berlin, im Saarland, in NRW, selbst in Schleswig-Holstein zogen sie in die Landesparlamente ein. In der taz-Redaktion wurde nach jemandem gefahndet, der oder die über die Partei berichten könnte. Dass ich das nicht sein würde, stand fest. Sobald jemand versucht, mir abstrakte Zusammenhänge zu erläutern, entsteht in meinem Kopf ein weißes Rauschen. Aber was soll’s, dachte ich, abonniere ich mal für den nachrichtlichen Notfall den Newsletter der Bundespartei.
Das ist nun drei Jahre her, und ich bin dabei, meinen E-Mail-Input zu verschlanken. Nichts gegen den bdo, den Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer, nichts gegen die Kulturinitiative in Leipzig-Leutzsch – aber sollte ich tatsächlich wissen wollen, was los ist in der Fahrerkabine und im Muttitreff, würde ich mich melden. Und weil auch die Piraten, diese Daten-Titane, mich per E-Mail unnötigerweise mit Parteiinterna versorgten, scrollte ich vor einigen Wochen ans Ende ihres Newsletters, drückte brav auf den Abmelde-Link, trug noch braver in die auftauchende Maske meine E-Mail-Adresse ein und lehnte mich zurück.
Die in Aussicht gestellte Bestätigungsmail blieb aus. Macht nix, dachte ich nach Wochen, in denen ich unvermindert mit Informationen versorgt worden war. Die Piraten sind noch jung, die dürfen Fehler machen. Ich schrieb also eine E-Mail an die Pressestelle und bat um Verschonung. Eine Antwort erhielt ich nie. Stattdessen viele weitere Pressemitteilungen.
Nun blieb eigentlich nur noch der Griff zum Telefon. So was von 20. Jahrhundert. Es meldete sich tatsächlich der Pressesprecher, Dr. Krueger. Er wollte sehr genau wissen, wer ich eigentlich sei, warum ich seinen Newsletter nicht mehr haben wolle, wieso ich den überhaupt bestellt hätte. Irgendwann sagte ich, dass er dafür, dass er mir nicht mal auf meine E-Mail geantwortet habe, ganz schön hartnäckig sei. Und dass ich gerade dabei sei, über meine missglückte Löschung aus dem Verzeichnis der Datenschutzpartei eine Kolumne zu schreiben.
Es entspann sich ein lustiges Gespräch. Dr. Krueger teilte mir mit, meine Mail sei vermutlich in einem ominösen „Ticketsystem“ verschwunden, zu dem er keinen Zugriff habe. Und wenn ich „nur eine Mail“ geschrieben hätte, „kann es sein, dass die gelöscht wird“. Durch mein Prusten hindurch verstand ich nur so etwas wie „Hauptsache, Sie berichten überhaupt“. Das Gespräch war so absurd, dass ich mich nun fast ein bisschen ärgere, wenn ich – hoffentlich! –bald keinen Newsletter mehr von den Piraten bekomme. Tschö, Dr. Krueger!
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