: Kein Nerz für Mode
PELZE Auf der „Bread and Butter“ protestieren AktivistInnen gegen die Verwendung von Tierfellen. Die Messe reagiert mit Härte
Dienstagmorgen, 9.11 Uhr, auf einem zugigen Parkplatz am zugigen Tempelhofer Damm, zwischen Penny und Burger King. Ein VW-Bus fährt vor und spuckt Menschen aus. Sofort formen sie einen engen Kreis und tuscheln. Man merkt sofort: Hier startet gleich eine Aktion.
Gegenüber, im Gebäude des ehemaligen Flughafens, eröffnet gerade die Modemesse Bread and Butter, ein Aushängeschild des kreativen und hippen Berlins. Genau dorthin will die Gruppe vom Parkplatz.
9.25 Uhr. Getrennt marschieren, vereint schlagen: Zwei Grüppchen laufen vom Parkplatz los. Eine größere Truppe hätte zu viel Aufsehen erregt.
„Dort stellen die Firmen ihre Modekollektionen aus, gegen die wir eine Kampagne fahren“, bringt Melitta Töller etwas Licht in die geheime Kommandosache. Töller ist Sprecherin von „Vier Pfoten“, einer weltweit agierenden Tierschutzorganisation, die auf der Messe eine Anti-Pelz-Aktion plant.
9.35 Uhr. Am Empfangsgebäude des alten Flughafens stellen die Vier-Pfoten-Aktivisten eine Leiter auf. Kaum jemand interessiert sich dafür. Ein paar Blicke gehen erst nach oben, als die Tierrechtler auf das Vordach klettern und ein Transparent entrollen: „Zeig Haut – gegen Pelz“ steht drauf. Darunter prangen Namen von Unternehmen, die noch immer Pelze verarbeiten: Closed, Kookai, Napapijri.
„100 Millionen Tiere werden jedes Jahr für die Pelzproduktion getötet“, sagt Töller. Die Nachfrage steige sogar noch. Europa benötige vor allem Kleinteile. Echter Pelzbesatz für Krägen und Schuhe ist offensichtlich wieder angesagt.
9.50 Uhr. Während die Aktivisten mit ihrem Transparent auf dem Vordach ausharren, läuft das Heer der Messebesucher ein. Pelz ist überall zu sehen, meist als Kapuzenbesatz und an Stiefeln, aber auch in Form ganzer Mäntel. Dass Pelztragen noch vor nicht allzu langer Zeit verpönt war, scheint fast vergessen. Die Leute auf dem Dach erregen noch immer wenig mehr als die Aufmerksamkeit einiger Pressefotografen. Der Rest steuert stur auf den Gebäudeeingang zu.
9.52 Uhr. Den Veranstaltern der Bread and Butter ist das Banner jetzt nicht mehr egal, dafür aber offenbar ihr Bild nach außen: Ein Messevertreter blökt Journalisten an und versucht, den Leuten von Vier Pfoten Platzverweise zu erteilen. Das darf allerdings nur die Polizei. Die agiert geduldig. Ein Beamter kann seine Sympathie für die Aktion nur schwer verbergen.
10.01 Uhr. Auf dem Vordach werden die Mitarbeiter der Bread and Butter handgreiflich und zerren die Aktivisten mit Polizeiunterstützung weg. Darauf hatte es Vier Pfoten eigentlich gar nicht angelegt. Der Verein positioniert sich mit denkbar weitem Abstand von militanten Tierschützern und gewalttätigen Aktionen: „Wir wollen ja mit den Unternehmen in Kontakt treten“, sagt Melitta Töller. Sie verweist auf eine Kampagne, die Unternehmen, welche auf Pelze verzichten, eine Image-Politur anbietet. Schrittweise Verbesserungen wie diese seien das Mittel – das bringe am Ende mehr als einzelne Tierbefreiungsaktionen.
Unterdessen bleibt Bread and Butter wenig gesprächsbereit: Anzeigen wegen Hausfriedensbruch wurden gegen die Aktivisten auf dem Vordach gestellt, sagt die Vier-Pfoten-Sprecherin am Nachmittag nach der Aktion. Auch bei den kritisierten Bekleidungsherstellern ist die Redefreude nicht größer: Der Hamburger Hersteller Closed zum Beispiel will überhaupt keine Stellungnahme zum Thema Pelze abgeben. JÖRN WEGNER