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Verhör eines Sammlers

THEATER Das Berliner Renaissance-Theater verhandelt den „Fall Cornelius Gurlitt“

Das Berliner Renaissance-Theater ist ein Haus für gediegenen Boulevard. Politisch brisante Stoffe stehen hier eher selten auf der Agenda – aber wenn doch, dann mit bekannten Schauspielern.

So birgt denn das Stück „Entartete Kunst – Der Fall Cornelius Gurlitt“, das hier am Wochenende zur Uraufführung kam, vor allem eine Paraderolle für Udo Samel: Kauzig und verschmitzt spielt er einen Mann, der hingebungsvoll mit seiner Spielzeugeisenbahn spielt. Er redet und flüstert mit den Bildern, die er in seiner Wohnung verbirgt, wie mit Kindern, die sich verstecken müssen. Vor jedem, der an der Türe klingelt – auch den Steuerfahndern, die am Anfang des Stücks des angelsächsischen Theater- und Drehbuchautors Ronald Harwood bei ihm auftauchen und ihn dann verhören.

Im Mittelpunkt steht Gurlitts verdrehte Verteidigung seines verborgenen Schatzes. Er sieht die Bilder als Verfolgte, sich als Beschützer. Seinem Vater, der sich für die Kunst der Moderne eingesetzt hatte, machten die Nazis ja anfangs Schwierigkeiten bis er in deren Auftrag als „entartet“ gebrandmarkte und von jüdischen Eigentümern teils geraubte Kunst kaufte und sammelte; aus den ideologischen Angriffen auf die Künstler und der Verfolgung ihrer jüdischen Eigentümer, bastelt sich Sohn Gurlitt eine Strategie, die jeden, der nach seinen Bildern fragt, zur Gestapo macht.

Leider überschreitet der Text nirgends die bekannten Fakten der seit Ende 2013 mit großer medialer Aufmerksamkeit verfolgten Geschichte. Nirgendwo kommt ein gesellschaftlicher Kontext ins Spiel, der die heiklen Fragen nach der privaten Bereicherung an jüdischem Eigentum oder warum die Provenienzforschung für öffentliche Sammlungen erst so spät einsetzte, aufgreifen würde. Der einzige gesellschaftliche Konsens, der öfters aufgerufen und vom Publikum mit Lachen entgegengenommen wird, ist die Beschimpfung des Kunsthandels ganz allgemein als schmierige Branche. Eine sehr billige Kritik.Katrin Bettina Müller

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