Berliner Szenen: Trillerpfeifen für alle
500 Meter Demo
Für Hannah und Max ist es die Premiere. Und dann gleich so viele Leute. Bereits Friedrichstraße müssen wir die S-Bahn verlassen, weil der Zug nicht am Hauptbahnhof hält. Da wir uns spontan entschieden haben, zur Demo zu gehen, sind wir noch nicht dazu gekommen, unseren Kindern das Anliegen zu erläutern. Wie erklärt man TTIP einer Siebenjährigen und ihrem fünfjährigen Bruder? Es ist schon nicht einfach, komplexe Zusammenhänge so zu vereinfachen, dass 13-Jährige sie verstehen. Von dem Alter sind die beiden noch weit weg.
„Es geht darum zu verhindern, dass die großen Unternehmen alles bestimmen und die Menschen nichts mehr zu sagen haben!“ – das wäre ein Versuch. Zufrieden macht er mich nicht. Er ist wenig informativ. Und wissen Hannah und Max, was Unternehmen sind? Ihr könnte ich es vielleicht verständlich machen. Aber ihm? „Es geht darum, dass wir nicht irgendwann das giftige Essen essen müssen, das in Amerika hergestellt wird“ – auf jeden Fall ein plakativeres Destillat, aber wahrscheinlich politisch nicht ganz korrekt.
Wie ich feststellen muss, sind die beiden noch nicht so weit. Max klammert sich an Melanie, weil ihm ob der Menschenmassen unheimlich ist. Er zieht es vor, zu schweigen statt zu fragen. Hannah interessieren zum Glück momentan eher die Details als das große Ganze. „Warum kommt da vorne Musik aus dem Auto? Wo haben die Leute das Schild her? Warum haben die da vorne Trillerpfeifen? Kann ich auch eine haben?“ Max, der in der Dorotheenstraße langsam auftaut, äußert den gleichen Wunsch. Ecke Wilhelmstraße schmerzen Max die Beine. Wir machen uns auf den Heimweg. Immerhin circa 500 Meter. Nicht schlecht für die erste Demo mit Kindern. Nachher werde ich „logo“-Nachrichten schauen. Und dann den beiden TTIP erklären. Ob sie wollen oder nicht. Stephan Serin
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