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Archiv-Artikel

„Muss was in die Luft fliegen“

Niedrige Löhne und neue Billig-Unternehmen charakterisieren den Markt von Wachschutzfirmen, sagt ein Insider. Die Firmen sehen sich im Recht, weil sie angeblich den Tarif einhalten

„Unternehmen sollten überlegen, was sie zu Billigstpreisen kaufen“

bremen taz ■ Seit 23 Jahren ist Hans-Werner Brinkhoff dabei. Der 56-Jährige bewacht, kontrolliert und patrouilliert für die Sicherheit – in einem großen Wachschutzunternehmen in Bremen. Er ist Mitglied des Betriebsrats und will nicht länger schweigen – über Arbeitsbedingungen, Konkurrenzsituationen und überforderte Mitarbeiter. „Viele gehen über ihre Belastungsgrenze hinaus“, sagt Brinkhoff.

Er selbst ist Werkschutzfachkraft, hat zweimal einen einwöchigen Kursus besucht, in dem er mit den Grundzügen des Sicherheitswesens vertraut gemacht wurde. „Viele fangen auch erstmal an zu arbeiten und machen den Lehrgang später“, sagt er. Die Arbeit als Wachmann habe keinen guten Ruf. „In den Firmen wird vom Akademiker bis zum Obdachlosen alles beschäftigt“, sagt er. Viele Kollegen wüssten nicht, wie sie sich im Ernstfall verhalten sollen. Übergriffe auf Passanten habe er selbst erlebt, die würden in der Branche aber totgeschwiegen.

Bei der Bremer Polizei hat man unterschiedliche Erfahrungen mit dem Wachschutzpersonal gemacht. „Bei Fußballspielen haben wir gut zusammengearbeitet. Wenn man sich kennt, ist man eingespielt“, sagt Heinfried Keithahn von der Gewerkschaft der Polizei. Allerdings fordert auch er eine bessere Ausbildung für die Wachmänner. „Das bringt mehr Sicherheit, kostet aber natürlich auch Geld. Das müssen die Leute wissen, die hohe Standards an Sicherheitsleute legen“, so der Gewerkschafter.

Nicht so gute Erfahrungen gemacht hat Uwe Ballandis, Personalrat im Justizvollzug. Für mehrere Jahre war die Firma von Hans-Werner Brinkhoff in Oslebshausen für Wachgänge im Außenbereich im Einsatz. „Ein Riesenfehler“, sagt Ballandis heute. Die Männer seien überfordert gewesen. „Viele von denen mussten zwölf Stunden und mehr am Stück arbeiten, um auf ein vernünftiges Gehalt zu kommen.“

„Die Arbeits- und Ruhezeiten werden eingehalten, und wir zahlen streng nach Tarif“, sagt der Geschäftsführer der Sicherheitsfirma, Gert Heidemeyer. Sicherheitsleute verdienen 6,25 Euro die Stunde – brutto. Außerdem bekommen die Wachschützer Zuschläge für Sonn- und Feiertagsdienst und Überstunden. Die Arbeitszeit variiere, zwischen 173 und 210 Stunden im Monat, so Heidemeyer. Wie andere Vertreter von Wachschutzfirmen sieht er keine Probleme.

„Wenn man sich beschwert, kann es schnell passieren, dass man nur noch die Mindeststundenzahl ableisten darf. Versuchen Sie mal, davon eine Familie zu ernähren“, sagt Hans-Werner Brinkhoff. Viele Sicherheitsleute hätten Angst um ihren Job und nähmen es hin, wenn Überstunden nicht bezahlt oder sie dauernd zu anderen Objekten geschickt würden. „Viele haben keine Alternative, die bekommen woanders keinen Job. Nach Wachmann kommt nichts mehr“, so Brinkhoff. Sicherheitsmängel seien kein Wunder. „Wenn einer Ware mit Millionenwert schützen soll und selber nur einen Hungerlohn bekommt, muss man sich den Rest nur zusammenreimen“, sagt er.

In den vergangenen Jahren seien zudem immer mehr ostdeutsche Firmen auf den Bremer Markt gekommen, die die Preise nach unten drückten. „Die zahlen nach ostdeutschem Tarif, obwohl die Leute hier beschäftigt sind“, sagt Karin Peetz von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Die Löhne seien noch niedriger. Eine Erfahrung, die Bremer Wachschutzfirmen nicht bestätigen wollen. „Die Unternehmen sollten sich überlegen, was sie da für Sicherheit zu Billigstpreisen einkaufen“, sagt Karin Peetz. „Da passiert erst was, wenn was in die Luft fliegt.

Dann will Hans-Werner Brinkhoff nicht dabeisein. Ihm ist wichtig, dass zumindest Minimal-Standards gewahrt bleiben. Doch ihm fehlen Kollegen, die sich wehren. In 23 Jahren habe er es gerade geschafft, einen Betriebsrat zu gründen. Doch der sei mittlerweile mit arbeitgeberfreundlichen Kollegen besetzt, sagt er. kay müller