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Archiv-Artikel

Der alte Kampf um Rot und Lila

In der SPD mussten Frauen lernen, sich durchzukämpfen – und wurden dafür von vielen Männern in der Partei als „Emanzen“ geschmäht, zuständig für „Gedöns“. Im politischen Machtkampf um das Generalsekretariat der SPD tauchten sie plötzlich wieder alle auf, die alten Stereotype und Klischees

VON GEORG LÖWISCH

Sie waren immer die Hexen. Die Frauen mit den furchtbaren Doppelnamen. Quote, Gedöns, Emanzengenerve. So haben sie viele in der SPD gesehen und da passte Heidemarie Wieczorek-Zeul jetzt wieder gut rein. Eine rote Heidi, die die SPD vergiftet, die sich nicht verzieht, obwohl sie doch Ministerin bleiben darf. Warum hat sie sich nicht ein Beispiel genommen am guten alten Wolle Thierse, der seinen Platz räumt? Aber sie musste ja bleiben, sie musste für Andrea Nahles Stimmen sammeln. Sie musste uns ja den Franz weghexen.

In dieser Rolle hat sich Heidemarie Wieczorek-Zeul gestern wiedergefunden – und sie hat dann schließlich doch nachgegeben und gesagt, dass sie nicht Vizevorsitzende bleibt. Beides, ihr langes Beharren auf den Posten wie auch die Dynamik, die von dem Hexen-Bild ausging, finden ihre Ursache in der Geschichte der SPD-Frauen ihrer Altersgruppe. Der Doppelnamen-Frauen, der Generation Lila.

Sie trafen sich in den 60er- und 70er-Jahren in der Männerpartei und wollten Frauenpolitik durchsetzen. Chancengleichheit, Abtreibungsrecht, Gewalt gegen Frauen waren die Themen – und die Teilhabe an der Macht. „Wir haben gemeinsam dafür gearbeitet, die SPD zu einer Partei zu machen, in der Frauen selbst etwas bewegen“, hat Wieczorek-Zeul einmal über diese Zeit gesagt.

Die Männer haben sie auf vielen Bezirks-, Landes- und Bundesparteitagen verlacht. Die Frauen lernten, auch weiterzukämpfen, wenn sie Schrammen bekamen. Viele Genossen erkannten, wie nützlich ihnen das Bild von der dogmatischen Feministin bei Auseinandersetzungen war. „Wenn eine Frau sich energisch verhielt, war sie gleich die nervtötende Zicke“, sagt die SPD-Schatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier.

Immer wieder fanden Männer Gründe, warum ein bestimmter Mann dringend einen bestimmten Posten bekommen muss. Sie haben deshalb 1988 die Quote durchgesetzt. Jedes Geschlecht muss seitdem mindestens 40 Prozent aller Parteiämter stellen. „Wir sind für die Quote, weil wir nicht wollen, dass unsere Töchter die gleichen Niederlagen hinnehmen müssen wie wir“, hat Inge Wettig-Danielmeier damals auf dem Parteitag gerufen.

Zehn Jahre später kam die SPD wieder an die Macht und mittlerweile war auch klar, dass Frauen in einem Kabinett gut ausschauen. Die SPD, eine moderne Regierungspartei mit Ministerinnen in Schlüsselressorts, das fand selbst Gerhard Schröder gut. Kein Dreimäderlhaus mit unwichtigen Ministerinnen, wie es sich Helmut Kohl eingerichtet hatte. Vom harten Kern der Generation Lila wurde Herta Däubler-Gmelin Justizministerin und Heidemarie Wieczorek-Zeul Entwicklungsministerin. Später bekam Renate Schmidt das Familienressort. Die junge, entspannte Edelgard Bulmahn als Bildungsministerin fand Schröder sowieso gut.

Für Frauen wie Heidemarie Wieczorek-Zeul ging es nun darum, die Macht zu behaupten. Früher war wichtig, anzuecken, jetzt war wichtig, nicht anzuecken. Jedenfalls nicht, wenn es den Gegnern hilft. Gleichzeitig stiegen andere Frauen auf. Ute Vogt wurde von Schröder hochbefördert und gab sich im Staatssekretärinnenamt als fleißige Auszubildende im Innenministerium von Lehrmeister Otto Schily. Und Brigitte Zypries stieg aus der Ministerialbürokratie Niedersachsens zur Bundesjustizministerin auf. Den Doppelnamenfrauen waren sie etwas zu pflegeleicht. Dennoch waren die neuen Frauen ja auch ein Beweis für das Erreichen des alten Ziels.

Der Kampf um die Frauenbeteiligung in der SPD ist zwar eine Erfolgsgeschichte. Er hat aber an einem gewissen Punkt stagniert. Es gab nun Ressortchefinnen in den Ministerien und Vizevorsitzende im Willy-Brandt-Haus – aber immer noch nicht als Normalität, sondern als Kontingent, das sich nicht ausweiten ließ. Renate Schmidt konnte erst Vizevorsitzende werden, als Däubler-Gmelin ging. Und Ute Vogt erst, als Däubler-Gmelin abtrat.

Die Kandidatur von Andrea Nahles als Generalsekretärin bot nun die Möglichkeit, dass eine Frau mehr einen der wichtigen Funktionärsposten in der Partei bekommt. Ein Vorsitzender, fünf Stellvertreter, ein Schatzmeister, ein Generalsekretär – das sind die Ämter, die auf SPD-Parteitagen in Einzelwahlgängen vergeben werden. Acht Posten – drei davon hatten Frauen. Mit Nahles haben die Frauen in der SPD ihr Kontingent ausgeweitet, dazu mit einer Politikerin, die zur Linken gehört. Und eine, die sich als Juso-Chefin auch um Frauenfragen gekümmert hat. „Eine, die nicht nur immer Ey, Ey Sir zum Vorsitzenden sagt“, wie eine aus dem SPD-Vorstand sagt.

Doch dann sollte es wieder nur im Auswechselverfahren gehen. Wieczorek-Zeul gegen Nahles. Und wieder gab es wie früher einen Grund, warum jetzt gerade ein bestimmter Mann einen bestimmten Job machen musste. Da beharrte die Entwicklungsministerin. Und wie früher reagierten Genossen mit dem alten Bild von der sturen Emanze. Und Andrea Nahles bekam gleich noch das Ego-Trip-Label.

„Manche Männer in der SPD können sich komischerweise nur vorstellen, dass eine junge Frau ein Amt bekommt, wenn eine andere Frau brav den Platz räumt“, schimpft Elke Ferner, Chefin der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen. „Und wenn es nicht so läuft, dann werfen diese Männer den Frauen schnell mal Karrieresucht vor.“

Bei Wieczorek-Zeul hat es funktioniert. Aber so traurig muss sie auch wieder nicht sein. Ihr Entwicklungsministerium bleibt ja lila.