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Archiv-Artikel

Recht muss für alle gelten

betr.: „ALG II – Viel Rauch um wenig Missbrauch“, taz vom 28. 10. 05

Die Hetze auf die ärmsten Menschen unserer Gesellschaft ist abstoßend, und die heuchlerische Doppelmoral, die wir Nochverdienenden gegenüber ALG-II-Empfängern an den Tag legen, ist widerlich.

Wir preisen die unternehmerische Klugheit, Geschäftsstellen ins Ausland zu verlegen, um damit Steuern zu „optimieren“. Doch wir verdammen die Frechheit junger Menschen, aus der arbeitslosen Familie auszuziehen, um unter miserablen Bedingungen in einer winzigen Wohnung auf den eigenen Füßen zu stehen. Wir schnüffeln in abgewetzten Bettlaken auf der Suche nach Lebenspartnern, verteidigen jedoch das Bankgeheimnis als Menschenrecht. Während wir unser eigenes gieriges Renditestreben für den Motor der modernen Welt halten, verachten wir die Versuche der Almosenempfänger, mit allen Mitteln ihren Anteil am Kuchen zu vergrößern.

Recht muss für alle gelten. Aber Menschen, deren Wohl und Wehe von der Wirtschaftskompetenz eines Edmund Stoiber und der sozialen Intelligenz einer Angela Merkel abhängen, dürfen wirklich nicht erstes Ziel unseres gesunden Rechtsempfindens sein. Lasst uns zunächst mit Mut und Intelligenz Steuerbetrug, Kapitalhinterziehung und Bilanzfälschungen verfolgen, sollten wir dann tatsächlich noch Finanzierungslücken haben, können wir uns gerne auch den Sozialbetrügereien widmen. INGO KLAMANN, Düsseldorf