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Archiv-Artikel

Die Gewalt im Rücken

FILM „After the Violence“ zeigt, wie man mit Kunst aus dem Getto kommt. Heute hat die Dokumentation im Babylon Mitte Premiere

South Central in Los Angeles gilt als ein Zentrum der Gang-Gewalt in den USA. Dieses berüchtigte Viertel steht im Mittelpunkt eines Dokumentarfilms von Anna-Maria Hora und Markus F. Adrian. In „After the Violence“ widmeten sich die beiden Berliner Filmemacher dabei der transformierenden Kraft der Kunst im Getto, mit Porträts von Menschen aus South Central, die mithilfe von Kunst der Gewaltspirale den Rücken kehren konnten. Heute Abend hat der während eines Villa-Aurora-Stipendiums entstandene Film im Babylon Mitte Premiere.

Zehn Künstler mit unterschiedlichen Lebensgeschichten haben die beiden Filmemacher in ihrem Alltag begleitet. Die Protagonisten eint aber ihre von Gewalt, Drogen und Knast geprägte Vergangenheit. Da ist etwa Kelly Jo Minter, die als Gangmitglied etliche Raubzüge in den Straßen von South L. A. begangen und den Großteil ihrer Jugend hinter Gittern verbracht hat. Die Schauspielerei ebnete ihr den Weg aus dem Getto – nach Hollywood. Und Moses Retna begann als Jugendlicher, den bitteren Alltag und die soziale Implosion im Getto mit der Spraydose festzuhalten. Heute zieren seine Wandmalereien die Straßen von Los Angeles und die Galerien von New York.

Aber der Film zeigt auch Künstler, die im Kosmos von Los Angeles immer noch ums Überleben kämpfen: Kevin Morgan, der hinter den Gefängnismauern begonnen hat zu zeichnen und der heute am Strand von Venice gigantische Felsbrocken zu Kunstwerken formt. Die Ska-Band Los Moles, fünf Jugendliche, die sich im Viertel allein über Wasser halten müssen und aus zusammengewürfelten Instrumenten in heruntergekommenen Proberäumen Musik machen. Oder Lil’ Drawz, der den brutalen Gang-Alltag in seinen Rap-Texten verarbeitet.

Für sie ist ihre Kunst Therapie, die Flucht aus einer Welt, die immer noch von Gewalt, Armut und Perspektivlosigkeit gekennzeichnet ist.

Mit den kurzen Einblicken in das Leben der Protagonisten baut sich in dem Film konstant ein Spannungsbogen auf. Es gibt keinen Erzähler, die Bilder und die Protagonisten sprechen für sich. Das macht es dem Zuschauer manchmal zwar ein wenig schwer, den unterschiedlichen Geschichten zu folgen, aber es verleiht den Bildern auch eine ungemeine Kraft.

Aggression, Trauer, Wut

Die Gewalterfahrung wird in dem Film nicht stilisiert. Vielmehr wird illustriert, wie sich Aggression, Wut, Trauer und Frustration umwandeln – in Musik, in Malerei, in Graffiti, in Filme.

„After the Violence“ ist ein behutsamer und eindringlicher Film über die sozialen Mechanismen der Stadt Los Angeles und die Macht der Kunst. Neben den bewegenden persönlichen Geschichten seiner Protagonisten zeigt die Dokumentation vor allem eines: dass sich die Kunst trotz Armut und Gewalt einen Weg bahnen kann. HANNA ENDER

■ „After the Violence“: Premiere in Anwesenheit der beiden Filmemacher heute um 20.15 Uhr im Babylon Mitte, Rosa-Luxemburg-Str. 30