: LeserInnenbriefe zu verschiedenen Themen
Flinke Philosophie ändert nichts
betr.: „Der stärkste Satz“, taz vom 26. 9. 15
„Der stärkste Satz“ auf Seite 1 war der bornierteste Satz, nämlich: „Es reicht nicht, ein paar Karotten in Brandenburg zu pflanzen. Das mag eine Option für einige wenige besser Situierte sein, hat aber null gesellschaftliche Transformationskraft.“
Also: Wer mit Armen Avanessian meint, er könne unsere Lebens- und Wirtschaftsweise flink mit Philosophie per Internet transformieren, aber selbst müsse er an seiner Lebensweise praktisch nichts ändern, der ist leider borniert.
THEO KRÖNERT, Kaisersbach
Worthülsen
betr.: „Die Linke hat die Zukunft aufgegeben“, taz vom 26. 9. 15
Nun, Karotten werden gesät, nicht gepflanzt, und dass das keine Transformationskraft hat, ist eher eine Plattitüde. Und „dass man von einer imaginierten fernen Zukunft auf die Gegenwart schaut. Damit wollen wir Visionen erzeugen.“ Solches und vieles des im Interview Angeführten hat man bei Ernst Bloch in seiner Philosophie der Utopie schon besser formuliert gelesen, eben weil er auch gründlicher gedacht hat. Natürlich kann man mit den hergebrachten Konzepten den neuen Machtstrukturen nicht wirklich entgegentreten. Aber Avaaz Compact und andere haben eben doch gezeigt, wie man die heutigen Möglichkeiten einsetzen kann und einiges erreicht. Vielleicht sollte man doch einmal langsamer und sorgfältiger denken, ehe man Parolen raushaut. Lebensfremde Worthülsen haben jedenfalls auch keine Transformationskraft.
HELLMUTH LILIENTHAL, Essen
Quälend langsam
betr.: „Die Linke hat den Anschluss verpasst“, taz.de vom 27. 9. 15
Die Linke hat den Anschluss verpasst? Ja woran denn?
Alles beschleunigt sich? Ja was denn?
Der subjektiv rasante Wandel einiger Technologien mag ja durchaus auch historisch recht beachtlich sein. Aber über zu schnellen Wandel hat sich wahrscheinlich noch jede Generation beschwert. Also die eigene Zeit einfach nicht überbewerten! Die wirklich entscheidenden Dinge geschehen auch heute (subjektiv) quälend langsam. Oder verbessert sich das menschliche Zusammenleben etwa so schnell, dass ich es gar nicht mitbekomme?
Was sicher stimmt, ist, dass die Linke oder unsere ganze Gesellschaft pathologische Angst vor jeder echten Neuerung hat. Das Bestehende erhalten und vielleicht ein wenig gerechter und kuscheliger machen, das ist das bescheidene und alternativlose Ziel.
XENOPHAN, taz.de
Keine neue Idee
betr.: „Die Linke hat den Anschluss verpasst“, taz.de vom 27. 9. 15
„Ich begreife den Akzelerationismus als ein wichtiges Irritationsphänomen, als eine Art Plattform, die Menschen zusammenbringt, die sich eine andere Zukunft vorstellen können.“ „Wir müssen uns technologisieren und die Programmierer politisieren.“ Erschütternd naiv. Wenn sich irgendwo ein paar Hirnchip-Nerds treffen und ihre Science-Fiction-Visionen einer besseren Zukunft dank Beschleunigung diskutieren, wird das nicht das Geringste ändern. Bedingungsloses Grundeinkommen ist ja auch nicht gerade eine umwerfend neue Idee. Bin mal gespannt, wann Herr Avanessian sie politisch in die Tat umsetzen wird, nachdem schon die Piraten mit demselben Gelaber gescheitert sind.
KURT-HORST DLOCH, taz.de
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