Leere Bierdosen im Behandlungszimmer

PREMIERE „thisisitgirl“, eine feministische Nummernrevue von Patrick Wengenroth an der Schaubühne, verballhornt Männer und ihre Rollenbilder

Auf dem Klo fällt mein Schwanz aus der Unterhose und mir schießt die Milch ein

„Mir wurde gesagt, ich könnte ‚alles haben‘: Ehe, Babys, eine steile Karriere, ein Schrank voller geiler Klamotten und völlige Erschöpfung.“ Die Schauspielerin Iris Becher redet sich in Rage. Für ihre Standpauke an die drei Kollegen im Schaubühnen-Studio leiht sie sich Laurie Pennys Thesen von der marktkonformen Selbstoptimierung heutiger Hochleistungsfeministinnen. „Ich muss ständig eine Fiktion des Patriarchats performen.“

Von feministischen Künstlerinnen und Autorinnen wie etwa Laurie Penny und Lena Dunham hat Collagentheatermacher Patrick Wengenroth sich bei seiner Stückentwicklung „thisisitgirl“ inspirieren lassen. Der Abend „über Frauen und Fragen und Frauenfragen“ dreht sich allerdings weniger um Netzfeminismus oder Vereinbarkeitsfragen als um den „gender trouble“ heutiger Männer und ihre Defizite. Zum Beispiel: nicht über Privates reden wollen, sich durch Rudelgrölen stark fühlen und Männer in Frauenkleidern eklig finden. „Ich bin ein totales Desaster“, sprechsingt Andreas Schröders als zentralen Bekenntnissatz.

Die drei beteiligten Herren treten zunächst als karikaturistisch zugespitzte Prototypen auf: der 08/15-Poloshirt-Daddy (Schröders), der hibbelig-hippe Sonnyboy (Laurenz Laufenberg) und der mittelalt-verklemmte Bart-Biedermann (Ulrich Hoppe). In TV-Show-Manier begrüßt Becher die Kandidaten und reduziert sie auf ihre Äußerlichkeiten („Unglaublich diese Haare! Darf ich mal reingreifen?“) und testet mit sexistischen Witzen das Publikum („Uh, Sie haben tatsächlich gelacht?!“). Dann heißt es: Ab auf die Couch, Jungs! Alle drei müssen zu Psychiaterin Iris in Therapie, wo sie allesamt die Panikattacke verleugnen und betonen, wie „super“ es ihnen gehe und dass sie schon wieder arbeiten gehen würden.

Das Therapie-Grundsetting franst im Laufe des Zweistünders immer stärker aus. Becher schlüpft aus der Psychiaterrolle in die von Penny, Lady Gaga oder einer selbstbestimmt lebenden Frau, die abtreibt und deren Freund ihr die Hölle heiß macht, weil er gefälligst darüber mitbestimmen wollte, was sie mit ihrem Körper anstellt. Das Ledersessel-Behandlungszimmer wird zunehmend von Bierdosen überschwemmt, und zwischendurch wird zu Matze Kloppes Soundspur ziemlich hinreißend gesungen. Hoppes Rauschebartträger glänzt mit stoisch vorgetragener Theorie-Verballhornung und Penisneid-Parodien und veranschaulicht im grünblättrigen Peter-Pan-Kostüm die Erwachsenwerdungsweigerung der männlichen Species. Laufenberg führt den Großteil des Abends einen schwarz-pinken Damenschlüpfer spazieren. Schröders offenbart den ultimativen Männer-Albtraum: „Wir haben sieben Kinder, meine Frau arbeitet Vollzeit, und ich sitz zu Hause. Und eines Tages geh ich aufs Klo, und aus der Unterhose fällt mein Schwanz ab, und im Spiegel seh ich, wie mir die Milch einschießt“.

Insgesamt verläuft sich die Nummernrevue in allzu konsensfähigen, leicht beschmunzelbaren Trottelklischees. Man lacht gern und viel, die beeindruckend lange Lektüreliste des Programmzettels von Simone de Beauvoir über Alice Schwarzer bis Judith Butler lässt sich dem Abend hingegen nur bedingt anmerken. Entwaffnend ist die Selbstverlachungs- und -entlarvungsbereitschaft, mit dem Wengenroth und seine Geschlechtsgenossen zu Werke gehen. Da verzeiht man der sympathischen Unternehmung gern, dass manche Szene länglich bis verzichtbar gerät, vieles nur angetippt wird und die Erkenntnisfunken eher spärlich fliegen. Vielleicht entspricht das aber auch einfach der Tatsache, dass die Durchschnittsbewusstseinslage den feministisch-queeren Diskursen noch meilenweit hinterherhinkt?

ANNE PETER

Weitere Termine: 27. 9., 28. 9., 12./13. 10., Schaubühne am Lehniner Platz