DIE KLIMADIVIDENDE FÜR DIE LÄNDER DES GLOBALEN SÜDENS : Die vergessene Milliarde
CLAUS LEGGEWIE
Es gibt noch Wichtigeres als den Klimaschutz: die vergessene Milliarde Menschen im globalen Süden. Zwischen Nord und Süd klafft die größte Gerechtigkeitslücke: Die den Klimawandel am wenigsten verursacht haben, werden am stärksten von seinen Folgen betroffen sein, das gilt auch für künftige Generationen. Also war es konsequent, wenn die erste Verhandlungsrunde in Kopenhagen dem Finanztransfer von Norden nach Süden gewidmet war – es geht um Hunderte Milliarden Euro, die vor allem der Anpassung an die verheerenden Folgen bereits unvermeidlichen Klimawandels dienen sollen.
Das Verhandlungspaket sieht aber nach dem üblichen Verhandlungsansatz zwischen Geber- und Nehmerländern aus: Der Norden gibt (und rechnet, wie Minister Niebel angedeutet hat, die Klima-Milliarden womöglich von der Entwicklungshilfe ab), der Süden nimmt (und lässt kaum erkennen, ob die Hilfe tatsächlich für höhere Deiche ausgegeben wird oder an korrupte Staatsklassen geht).
Die Gruppe der 77 ist ein Anachronismus. Dazu gehört die Weltmacht China ebenso wie die Ärmsten der Armen in der Sahelzone, und oft nimmt die Volksrepublik die subsaharischen Länder, deren Rohstoffe und Lebensmittel sie ausbeutet, in Geiselhaft. China ist beim absoluten Ausstoß von Treibhausgasen längst Hauptverursacher, während die Menschen in Burkina Faso ihre geringen Emissionen Jahrzehnte fortsetzen könnten.
Die Gesamtanordnung der Klimaverhandlungen ist schräg: Es gibt keine gemeinsamen Interessen der „Dritten (oder Vierten) Welt“, wenn der ökologische Fußabdruck an der chinesischen Ostküste längst europäisches Niveau erreicht hat. Von unschätzbarer Bedeutung für die Umsetzung eines wie auch immer gearteten globalen Klimaabkommens ist hingegen das lokale Wissen der Menschen des Südens im Umgang mit widriger Natur, knappen Ressourcen und prekären Wetterverhältnissen.
Sinn macht Klimapolitik also nur, wenn man jenseits des tiersmondisme der Blockfreien Pakete schnürt, die wechselseitigen Nutzen schaffen. Länder wie Sudan, derzeit Sprecher der G 77, oder Pakistan, in einem irren Gewaltkreislauf gefangen, oder Bolivien, in einem nicht zu gewinnenden internen Umverteilungskampf befangen, können erheblich vom globalen Emissionshandel profitieren, sofern dieser von einer globalen Organisation kontrolliert wird.
Und das ist die Klimadividende: Die Länder des Südens, beginnend mit Indien, veräußern ihre Verschmutzungsrechte an den CO2-insolventen Norden und springen in die Technologie der nächsten, regenerativen Generation. Dann liegen die Zentren einer nachhaltigen Entwicklung in der Sahara, in Südasien und in den Anden. Eine andere Welt ist möglich.