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KUNST

KunstBeate Schederschaut sich in Berlins Galerien um

Es gibt kleine und große Tragödien im Leben junger Großstädterinnen: auf einer Bananenschale auszurutschen und auf dem Allerwertesten zu landen zum Beispiel, sich versehentlich die halbe Tube Mascara auf die Wimpern zu spritzen oder aber in der Wisch-und-weg-Banalität neoliberal geprägter, zwischenmenschlicher Beziehungen ins Taumeln zu geraten. Den Sommer über hat die erst 25-jährige New Yorkerin Grace Weaver in den Räumen von Soy Capitán solche Geschichten in farb­intensiven Ölgemälden verarbeitet. „Skinny Latte“ lautet der geniale Titel ihre ersten Einzel­ausstellung in Europa, denn selbst im Land, in dem Milch und Honig fließen, locken nur noch fettfreie Diätprodukte. Die Welt, in der Weavers HeldInnen gemeinsam einsam aneinander vorbei leben, ist so glatt wie die abgeschliffene Oberfläche ihrer Bilder, die trotz Eigenwilligkeit vor Referenzen sprühen. In ihrer mädchenhaften „Cuteness“, hinter der sich eine komplex-selbstbewusste Auseinandersetzung mit weiblichen Rollenbildern verbirgt, ähnelt Weaver Taylor Swift. An Matisse und frühen Expressionismus erinnern ihre comichaft stilisierten Figuren, aus denen sie fast schon ­Bruegel-hafte Wimmelbilder komponiert – mit dem kleinen Unterschied, dass die Personen bei ihr mit dem Smartphone herumspielen, Hundehaufen eintüten oder mit Wind und Minirock kämpfen (bis 31. 10., Mi.–Sa. 12–18 Uhr, Prinzessinnenstr. 29).

Fast schon meditativ wirken im Gegensatz dazu die Gemälde der jungen Schottin Fiona Mackay, zu denen man von Soy Capitán aus trockenen Fußes gelangt. Direkt ums Eck bei Klemm’s zeigt „Close to“ deren kurvige Strukturen und antik anmutende Torbögen in Nude-Tönen sowie blau-grün-bräunliche Batikkreise (bis 31. 10., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Prinzessinnenstr. 29).

Eine Schwäche für antike Architektur hat auch Zuzanna Czebatul (*1986), die bei Gillmeier Rech in ihrer Ausstellung „A Gentleman’s Insult / A Gentleman’s Apology“ Kontrollverluste verhandelt. Ein gewaltiger Obelisk scheint in drei Stücke auseinandergebrochen zu sein und liegt nun auf dem giftgelben Galerieboden herum. Zum Glück ist er aber nicht aus Stein, sondern nur aus Plüsch gefertigt. Dennoch kommen einem sogleich die Bilder zerstörter syrischer Tempelanlagen in den Sinn. An den Wänden hängen ornamentartige Gitterstrukturen aus farbigem Kunstharz mit Schwarz-Weiß-Fotografien nackter Körperteile in der Mitte. In der Perfektion der Form steht Czebatul ihren antiken Vorbildern nicht nach, aber – und das macht sie so zeitgemäß – die Erhabenheit hat bei ihr Risse (bis 31. 10., Fr.–Sa. 13–18 Uhr, Körnerstr. 17).

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