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Archiv-Artikel

Die Exotik des Nordens

Heute starten die Nordischen Filmtage in Lübeck, und das bedeutet, dass Cineasten mit lustigen Mützen von Kino zu Kino ziehen werden, um Dramen mit Tiefgang zu sehen: Die Dogma-Filme beispielsweise wurden in Lübeck groß

Durch die engen Gassen der Lübecker Altstadt zieht in den kommenden Tagen nicht nur ein nasskalter Wind, sondern auch ein dicker Strom von Erwachsenen und Kindern eingemummelt in hochwertige Outdoorjacken und lustige Strickmützen. Auch wenn sie nicht klassisch aussehen: Das sind, zumeist, Cineasten.

In der Backsteinkulisse der alten Ostsee-Hanse sorgen nämlich die Nordischen Filmtage für eine verstärkte Fußgängerbewegung zwischen den maßgeblichen Kinos. Und in erster Linie für die Verbreitung skandinavisch-baltischer und norddeutscher Filmkultur. Von hier aus starteten die Dogma-Filme ihre Verbreitung in Deutschland: Große Namen wie Aki Kaurismäki, Lasse Hallström und Fridrik Thor Fridriksson leuchteten hier erstmalig von einer deutschen Kinoleinwand.

Die Nordischen Filmtage fingen 1956 mit sechs Filmen an und sind mittlerweile zu einem Vier-Tage-Festival mit in diesem Jahr 130 Beiträgen geworden. Hervorgetan hat sich das Festival durch sozialkritische Familiendramen mit Psychotiefgang, die bei den Skandinaviern ebenso Tradition haben wie die meistens im besten Sinne pädagogisch anspruchsvollen Kinderfilme aus Nord und Ost. Premieren gibt’s auch, in diesem Jahr beispielsweise „Manderlay“ von Lars von Trier.

Aber auch wenn Promis kommen – der große Glamour prägt die Atmosphäre der Nordischen Filmtage nicht. Rote Teppiche, Blitzlichtgewitter und Autogrammjäger sind die Ausnahme. Hier geht es eher intellektuell-verhalten, oft beschaulich zu – was der nordischen Mentalität ebenso entspricht, wie der Hang zum ausgelassenen Feiern.

Besonders gefeiert werden die Filme aus Norwegen, die sich durch eigensinnige Individualität auszeichnen – dabei wohnt dem so nahen Norden eine einzigartige Exotik inne, die auch in der Lübecker Innenstadt in diesen Tagen spürbar wird. Durch die Kinofoyers und Cafés raunt ein Mix aus unaussprechlichen skandinavischen Sprachstücken, angereichert mit lettischen, litauischen, estnischen und polnischen Klängen.

Apropos Exotik – wann bekommt man schon was von der Insel Farö mit? Hier lebt der Dinosaurier des norwegischen Films, Ingmar Bergman, und seine Fans können sich dieses Jahr in ein Special über sein Leben und Werk vertiefen. Mit einer Retrospektive wird ferner Armin Müller-Stahl, der einst grandios den schlechten Taxifahrer in Jim Jarmuschs „Night on Earth“ gab, gewürdigt.

Vier Tage dauert der Nord-Nordost-Kultur-Törn. Dann ist man reif für die Insel. Island oder eine Schäre kämen da gerade recht. Imke Staats