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Archiv-Artikel

Schalke leidet mit

Selbst gegen neun Fenerbahce-Spieler tut sich Schalke 04 schwer. Am Ende gibt es ein 2:0 – aber auch Pfiffe. Immerhin: Das Erreichen der nächsten Champions-League-Runde bleibt weiter möglich

AUF SCHALKE HOLGER PAULER

Es war der Abend der Enttäuschten in der Arena AufSchalke. Trotz des ersten Erfolges im zehnten Champions-League-Spiel der Vereinsgeschichte nahmen Spieler, Verantwortliche und Fans des FC Schalke 04 das 2:0 über Fenerbahce Istanbul eher gequält lächelnd zur Kenntnis. „Wir hätten es uns gerne einfacher gemacht, dennoch war für uns ganz wichtig, das Spiel zu gewinnen“, sagte Schalke-Trainer Ralf Rangnick hernach. Er hatte eine „überragende erste Halbzeit“ gesehen, in der die Schalker allerdings nur ein 1:0 durch Kevin Kuranyi herausgeschossen hatten.

Doch danach kippten die Vorzeichen ins Negative. Zunächst wurde Fenerbahce-Spieler Fabio wegen einer Notbremse gegen Lincoln vom Platz gestellt (40.), dann musste auch noch Mannschaftskollege Marco Aurelio vorzeitig gehen (Gelb-Rot/ 55.). Die Schalker sahen sich einem personell derart geschwächten Gegner gegenüber, dass sie, wohl aus Mitleid, das Fußballspiel einstellten – sehr zum Unmut des Publikums, das mit zunehmender Spieldauer seine latenten Aggressionen loszuwerden versuchte. Anfangs war es ein tiefes Grummeln und Raunen, später waren es Pfiffe. „Plötzlich fing es an ein Nervenspiel zu werden im Wechselspiel mit dem Publikum, das nicht begreift, wie man sich mit elf gegen neun so schwer tun kann“, setzte Ralf Rangnick bei der Spielanalyse zu einer moderaten Publikumsbeschimpfung an. Wenigstens Ebbe Sand sorgte mit seinem Treffer in der Nachspielzeit noch für einen leichten Stimmungsumschwung.

Dass Auf Schalke nun nicht die totale Euphorie ausbricht, lag auch an der zweiten, „großen Enttäuschung des Abends“, wie Schalke-Manager Rudi Assauer feststellte – am AC Mailand. Milan verlor beim PSV Eindhoven mit 0:1 und musste nicht nur die Niederländer, sondern auch noch die punktgleichen Schalker an sich vorbeiziehen lassen. „Da uns Mailand nicht in die Karten gespielt hat, müssen wir uns selbst helfen“, stellte Assauer fest. Was bedeutet: Ein Sieg in zwei Wochen im Heimspiel gegen den überraschend starken PSV Eindhoven ist Pflicht – und dann wartet vermutlich immer noch das Endspiel beim großen AC Mailand am letzten Spieltag der Gruppenphase.

Die Mannschaft dürfte Mühe haben, dieses Programm erfolgreich zu bewältigen. Denn die Gäste aus der Türkei erwiesen sich am Dienstagabend als dankbarer, vor allem aber als überaus schwacher Gegner. In den gesamten 90 Minuten kamen sie zu keiner ernst zu nehmenden Torchance, das Tempo, das sie vorgaben, setzte neues Maßstäbe in Sachen Negativbeschleunigung. Selbst Nationalspieler Fabian Ernst, dem zuletzt mangelnde Schnelligkeit in den internationalen Vergleichen vorgeworfen wurde, konnte zumindest in den ersten 60 Minuten überzeugen. „Der Sieg war immens wichtig für uns, weil von außen immer viel reininterpretiert wird. Ich hoffe, dass jetzt endlich wieder Ruhe einkehrt“, sagte Ernst doppeldeutig.

Die Schalker Krankheit ist nach den zuletzt desaströsen Auftritten in Meisterschaft und Pokal immer noch nicht ausgestanden. Dies zeigte vor allem die Schlussphase. Die Mannschaft schaffte es kaum, gegen ein um zwei Spieler dezimiertes, international zweitklassiges Team ein klares, sicheres Spiel aufzubauen und Torchancen herauszuspielen. Trotz der Harmlosigkeit Fenerbahces lag die Angst vor einem Gegentor permanent in der Luft – schon das Hinspiel (3:3) hatte gezeigt, wozu die Schalker Defensive zuweilen fähig ist. Und hätte Nicolas Anelka in der zweiten Halbzeit nicht in aussichtsreicher Position das Gleichgewicht verloren …

„In der zweiten Halbzeit hat man gemerkt, was bei uns in den letzten Wochen los war“, sagte Torhüter Frank Rost nach dem Spiel. Immerhin: Er musste keinen Ball halten und brachte daher die Muse auf, seinem zuletzt doch arg kritisierten Trainer den Rücken zu stärken: „Ralf Rangnick hat uns erstklassig auf den Gegner eingestellt.“ Wer die Verhältnisse in Schalke kennt, weiß, dass das Wort des Kapitäns Gewicht hat. Nur er darf Mitspieler, Verantwortliche und Fans – zuletzt sogar mit einem öffentlichen Brief – kritisieren, ohne dafür zur Verantwortung gezogen zu werden. Und natürlich darf er auch den Trainer loben.