: Es wird alles wieder gut
KONZERT Lange wurden Get Well Soon als die schwäbische Antwort auf Conor Oberst gehandelt. Mit dem dritten Album hat die Band nun zu sich selbst gefunden
VON BENJAMIN MOLDENHAUER
Viel unglamouröser kann eine Karriere im Pop eigentlich nicht verlaufen. Ein junger Mann aus dem schwäbischen Biberach mit Namen Konstantin Gropper, Sohn eines Musiklehrers, studiert an der nicht eben hipnessverdächtigen Popakademie Baden-Württemberg und dazu noch ein paar Semester Philosophie, schließt sich für drei Jahre ins Heimstudio ein und kommt – wir schreiben das Jahr 2008 – mit seinem Debütalbum wieder ans Tageslicht, das dann auch prompt durch die Decke geht.
Der Titel der Platte schaltete nicht, wie man es unter jungen Wilden in den ersten Karriereflegeljahren sonst gern tut, auf Attacke. Kein „Never Mind the Bollocks, here’s ...“ oder Ähnliches war da zu lesen, sondern: „Rest Now, Weary Head! You Will Get Well Soon“.
Ein Wunder, dass das funktioniert hat, der Erfolg brach geradezu eruptiv über den damals erst 26-Jährigen herein. Selbst der Londoner NME, ansonsten nicht gerade an deutscher Indiemusik interessiert, war angetan. Ein wenig erinnerte das ganze an den ebenfalls verdienten Hype um den wenige Jahre zuvor als Wunderkind besungenen Conor Oberst. Auch Konstantin Gropper bediente sich mit Get Well Soon, so der Name der Band, die eigentlich weniger eine Band, sondern sein Soloprojekt ist, mit traumwandlerischer Sicherheit im Fundus der Popgeschichte und zimmerte anscheinend von leichter Hand Songs zusammen, die die große Geste nicht scheuten und sich in mondäner Melancholie ergingen.
Das zarte Alter der beiden, das im Kontrast stand zu der Souveränität, mit der hier jeweils ans Werk gegangen wurde, sorgte dafür, dass sich in der Presse bald das Bild des genialischen Wunderkindes festklopfte. Da enden die Parallelen aber auch schon. Während Oberst sich nämlich am amerikanischen Folkerbe abarbeitet, greift Konstantin Gropper mit beiden Händen in die Archive des pathosvollen, aber eben dann doch immer reflektiert-ironischen Pop. Er wäre lieber David Bowie als Bob Dylan, hat Gropper im taz-Interview erzählt.
Nicht die schlechteste Referenz, insbesondere wenn man’s kann, ohne sich dabei zu verheben. Auch Nick Cave und Leonard Cohen wurden als Vergleich herangezogen, vor allem nach dem zweiten, ungleich düsteren Album „Vexations“. In der sonoren Crooner-Stimme Groppers scheint jedenfalls das Erbe diverser legendärer singenden Düstermänner durch.
Mit „Vexatations“ wurde noch eine Schicht mehr aufgetragen, sowohl musikalisch als auch, was die Referenzen anging. Zitiert wurden Sloterdijk, Seneca, Büchner und Sartre, der nicht ganz ernst gemeinte Geistesaristokratismus, den Get Well Soon abstrahlen, manifestierte sich nicht mehr nur in vornehm blassen Bandfotos, und einigen wurde es mit dem zweiten Album dann doch zu viel.
Linus Volkmann konstatierte in der Intro: „Plötzlich ist alles schwarz, haltlos und verschwommen.“ Max Dax von der Spex erkannte „Namedropping der schlimmsten Sorte“. Den Fans war’s egal. Wer sich in diesen Songs glücklich leidend verlieren kann, wird reich beschenkt und sich um Kritikerbedenken nicht mehr groß geschert haben.
Trotz aller großen Gefühle war diese Musik von Anfang frei von jedem Authentizitätsgetue, dazu wirkt das Ganze viel zu durchdacht (und das ist in einem positiven Sinne zu verstehen). Nichtsdestotrotz haben Get Well Soon erst mit ihrem dritten Album die Balance zwischen monumentalen Arrangements, erlesener Schwermut, idiosynkratischem Humor und großen Popsongs gefunden.
Auf dieser wieder einmal eigenwillig betitelten Platte – „The Scarlet Beast O‘Seven Heads“ – amalgamieren sich Ennio-Morricone-lastige Scores, Horrorsoundtracks der siebziger Jahre und das Endzeit-Pathos der 2010er-Jahre. „Pop braucht Protzer“, befand die FAZ. Recht hat sie. Und wie singt Konstantin Gropper? „They’ll joke and laugh about these songs, okay, they are not for them.“