Was einzig bleibt ist mitzutun
: Fiese Trittbrettfahrer

wirtschaftsweisen

von helmut höge

Nach Abwicklung der Ostberliner Produktionsbetriebe und der Wegverlagerung der Westberliner erhofften sich viele Arbeitslose neue Jobs in der Computerbranche. Leichtherzig ließen sie sich zu Web-Designern umschulen oder versuchten in den Start-ups der neuen Medien unterzukommen. Das Platzen der Dotcom-Blase bereitete diesem Hype ein schnelles Ende. Aber dann fielen plötzlich die Billigflieger vom Himmel, d.h. massenweise strömten Easyjetter aus Barcelona, Athen, Rom etc. in die Stadt. Die einheimischen Clubgänger bis hin zu den Türstehern witterten eine neue Chance: Wenn sie nicht weitere Clubs, Cafés und Touri-Bars eröffneten, wo nahezu ununterbrochen Happyhour-Cocktails angeboten werden, ver­dealten sie Amphetamin-Derivate, Koks und Hasch en gros.

Dieser ganze aus Westeuropa und Übersee rüberschwappende Amüsierpöbel (in der Mehrzahl Mädchen, weil die Jungs zu verpeilt sind, um rechtzeitig ihre Billigtickets zu buchen) hat wie andere juvenile „Hotspots“ auch einen Haufen Drecksäcke im Gefolge: Trickdiebe, Gauner, Asoziale, Verbrecher …Ich bin in den letzten Monaten schon vier Mal an solch ein Gesindel geraten: Die Ersten waren drei ältere Rumänen mit Totschläger – nachts am Mariannenplatz, Die Zweiten ein dünner Pole und ein Türke wie ein Schrank: mit den finstersten Absichten, aber einen Moment lang zu zögerlich (bei den ersten war ich einen Moment zu schnell, verlor aber trotzdem meine Brieftasche). Die Dritten waren zwei Spanier mit einem Beintrick, den jedoch ein Anwohner stoppte; und die Vierten waren ein Afrikaner und ein Deutscher im Rastalook, die mit meinem Geld wegrannten.

Das Epizentrum dieser Drecksäcke ist die Piste zwischen RAW und Schlesischer Straße. Auf dem RAW-Gelände bereits seit seiner Privatisierung 2013. Seitdem kümmmern sich die dortigen Clubbetreiber nur noch um ihren Laden und es gibt keine Security mehr, dafür aber immer mehr dunkle Ecken, in die diese Internationale der Drecksäcke junge Betrunkene oder sonstwie Betäubte reinzieht, um sie abzuzocken, nicht selten mit Fäusten oder gar Messern.

Die Amis lachen darüber: „In jeder unserer Kleinstädte ist es gefährlicher als in Berlin“, prahlen sie. Auch die Finnen schmunzeln: Für sie ist es ein misslungenes Wochenend-Vergnügen, wenn sie NICHT von Esten zusammengeschlagen und ausgeraubt wurden. Einige halten das sogar für Ausländerfeindlichkeit! Die Finnen haben einen seltsamen Humor.

Wir bedauern es dagegen immer noch: erstens, dass man nach solchen Überfällen erst mal einige Monate lang keinem Menschen mehr traut. Und zweitens, dass bald die einzigen Menschen in Berlin, die sich freundlich, kommunikativ und hilfsbereit geben, diese Drecksäcke sind. Wer sich in der Stadtgeschichte auskennt, der weiß, dass das schon seit 1448 so ist – mit Unterbrechungen.

Damals war der brandenburgische Kurfürst so freundlich, bei einem Streit zwischen den Bürgerparteien zu helfen. Aber sofort brachte er daraufhin Berlin an sich. Als sich die Bürger dagegen erhoben – der berühmte „Berliner Unwille“, unterwarf er sie mit seinen Truppen. Sie mussten schwören, fürderhin ganz untertänigst zu sein und ihm ein Schloss zu bauen (DAS Scheißschloss!).

Danach war Frankfurt (Oder) für lange Zeit wirtschaftlich stärker als Berlin. Alle Bürger­aktivitäten waren nur noch auf die Ökonomie des Hofes – der Hohenzollern-Drecksäcke – ausgerichtet. Seitdem ist den Berlinern jede „Dienstleistung“ zutiefst verhasst.

Statt Service-Sklaven sind sie lieber geschundene Proletarier, die versuchen sich zusammenzurotten, um es eines Tages allen fiesen Ausbeutern heimzuzahlen.

Aber diese Chance ist wohl seit der Wende endgültig vertan. Was einzig bleibt, ist mitzutun: abtanzen, saufen, in jeder Hinsicht gegen die Betäubungsmittelgesetze zu verstoßen. Die diesbezüglich schon völlig Verblödeten, mit umgedrehter Base­ballkappe und Kapuze – das ist jetzt die Avantgarde! Oh Gott.