: Schulerfolg hängt am Geldbeutel
Schulministerin Sommer hat die PISA-Ergebnisse ausgewertet: Die Abhängigkeit des Schulerfolgs von der sozialen Herkunft liegt in NRW über Bundesschnitt, die Abbrecherquote ist besonders hoch
AUS DÜSSELDORFNATALIE WIESMANN
In Nordrhein-Westfalen herrscht ein besonders enger Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und schulischer Leistung. Das ist ein Ergebnis der PISA-Erweiterungsstudie 2003, die gestern von Landesschulministerin Barbara Sommer (CDU) in Düsseldorf vorgestellt wurde. Zwar wurden die Tests bei den 15-jährigen SchülerInnen in den Bereichen Mathematik, Lesen, Naturwissenschaften und Problemlösung bereits im Juli 2005 veröffentlicht. Um sie besser analysieren zu können, sind die Zahlen jetzt um Hintergrunddaten etwa zur sozialen Herkunft, zur Nutzung von Computern in der Schule oder zu wirtschaftlichen und kulturellen Lebensverhältnissen ergänzt worden.
Die SchülerInnen in NRW treten auf der Stelle: Im Vergleich zur PISA-Studie 2000 konnten sie ihre Ergebnisse nur in den Naturwissenschaften leicht verbessern. In den anderen untersuchten Bereichen stagnieren die Leistungen. „Ich bedaure das schlechte Abschneiden unseres Landes“, sagt die Ministerin mit neidischem Blick auf Bundesländer wie Thüringen und Sachsen, die im Vergleich zu 2000 stark aufgeholt haben. Für die Stagnation im Land hat Sommer bereits die Schuldigen ausgemacht: „Rot-Grün hat die Zeichen der Zeit in der Bildungspolitik nicht erkannt.“
NRW liegt nur in der Kategorie „Problemlösen“ im OECD-Schnitt, in den drei anderen untersuchten Bereichen, Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften, weit darunter. Im Bundesländer-Ranking rutschte NRW im Bereich Mathe von Platz 10 auf 14, im Bereich Lesen fiel das Land vom Platz 7 auf Platz 12 zurück. Der Rückstand auf den deutschen Spitzenreiter Bayern beträgt zwischen 34 und 47 Punkten. „Das bedeutet, dass wir in allen Kategorien ein Jahr hinter Bayern zurückliegen“, sagt Sommer.
Die Abhängigkeit des Lernerfolgs von der sozialen Herkunft ist in Deutschland im OECD-Vergleich bekannterweise besonders gravierend. Doch in Nordrhein-Westfalens ist die Abhängigkeit vom Status der Eltern noch stärker: Kinder aus den oberen sozialen Schichten haben in NRW eine um 4,35 Mal höhere Wahrscheinlichkeit, ein Gymnasium zu besuchen als Kinder aus der Unterschicht – der Bundesdurchschnitt liegt bei rund vier. Besonders schlecht schnitten die HauptschülerInnen und GesamtschülerInnen im Land ab. „Ich will gezielt Kinder aus schwierigen sozialen Verhältnissen fördern“, sagt Sommer. Bei der Neueinstellung von LehrerInnen müssten diese gerechter auf die Schulformen verteilt werden. „Wir haben auf den Hauptschulen einen Überhang von 500 LehrerInnen, daran will ich festhalten.“
Das scheint bitter nötig: Fast jeder fünfte Schüler in NRW erreicht höchstens die achte Klasse – nur in Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein sind die Anteile höher. Jeder Dritte 15-Jährige im Land bleibt mindestens einmal sitzen. Je niedriger die Schulform, desto höher die Gefahr des Sitzenbleibens. Für Migranten, die bei PISA besonders schlecht abgeschnitten haben, will Sommer vorschulische Sprachtests einführen. „Am besten wäre es, bereits die Vierjährigen zu untersuchen.“ Ihr Ministerium arbeite dafür noch an einem „aussagekräftigen Test“.
Der Rückstand auf Länder wie Bayern ließe sich unter anderem mit einer Vermeidung von Unterrichtsausfall aufholen, so die Ministerin. Als Indikator für geringe Lust auf Schule in NRW nennt Sommer die hohen Fehlzeiten bei den SchülerInnen: 23 Prozent seien in den zwei Wochen vor der Untersuchung mindestens einmal zu spät gekommen – die Zahl ist doppelt so hoch wie in Bayern. Ob die geplanten Kopfnoten im Zeugnis zu mehr Disziplin führen können, weiß sie nicht. Aber: „Es ist besonders wichtig, dass sich die SchülerInnen in der Schule wohl fühlen.“ Um das zu erreichen, will die Ministerin für mehr und bessere Ganztagsschulen sorgen.