: Ein Platzeck wird’s nicht richten
Matthias Platzeck wird der neue SPD-Boss. Welche Hoffnungen verbinden damit die Ostberliner? Ein Spaziergang durch das Marzahner Einkaufszentrum Eastgate und das Ring-Center in Friedrichshain
VON KORBINIAN FRENZEL UND FRIEDERIKE MEYER
Die großen Monitore hängen dort, wo man Pause vom Shoppen machen kann – zwischen Curry Karl und dem Bistro Bica. Und genau gegenüber von jenem Glastresen, hinter dem Frühlingsrollen und Sushi verkauft werden. Donnerstagmittag, Einkaufscenter Eastgate, Berlin-Marzahn. Hier trifft der Osten den Osten, der Hellersdorfer den Hohenschönhauser, und manchmal kommen sie sogar von Frankfurt (Oder), um dort einzukaufen. Marzahn ist zu einem Synonym geworden für das, was man mal unter DDR verstand. Und dort oben flimmert nun einer über die Bildschirme, der dazugehören könnte: Matthias Platzeck, Ossi, Ministerpräsident von Brandenburg und bald Vorsitzender der SPD.
„Klar ist es schön, wenn der Osten auch mal dran ist“, sagt Bettina Mechau. Ob es was ändern wird, die Verkäuferin ist skeptisch. „Merkel hat ja gezeigt, wie man vergessen kann, wo man herkommt.“ Und vielleicht liege es nicht in der Hand der Politiker. „Geld regiert die Welt. Da macht’s keinen Unterschied, ob die Politiker aus dem Westen oder von hier kommen.“
Die Wirtschaft sei es eben, die alles letztendlich entscheide, sagt auch die Rentnerin Erna Zimmermann. „Jetzt baut die Telekom massiv Stellen ab. Diese Nachrichten bereiten mir Sorgen.“ Die 71-Jährige sieht da auch für Platzeck wenig Möglichkeiten. Und wie schon bei Merkel, bemerkt sie, käme der Platzeck vielleicht auch nur aus der Not an die Reihe.
Im Ring-Center am S-Bahnhof Frankfurter Allee ist die Stimmung ähnlich resigniert. Alle sind in Bewegung: Die älteren Damen rollen auf der Treppe ins nächste Ladengeschoss, die Buggies der jungen Mütter zum Imbissstand und auch der Putzwagen von Sylke Tolzmann. Die 40-Jährige schiebt ihn am Treppengeländer entlang und leert den Papierkorb.
Seit drei Jahren macht sie den Job im Einkaufszentrum in Lichtenberg. Für Politik interessiere sie sich nicht. Deshalb gehe sie auch nicht wählen. „Die Kleinen werden immer klein bleiben. Ändern wird sich auch mit Ostpolitikern nichts.“ Dennoch sei sie zufrieden. „Die Leute jammern viel zu oft. Am Wochenende ist das Ring-Center voller Menschen. Offenbar haben viele Geld zum Shoppen.“
Vor dem Drogeriemarkt schiebt Nicole Papke (25) ihren Sohn im Kinderwagen. Ob Matthias Platzeck als SPD-Vorsitzender frischen Wind in die Politik bringen könnte? Nicole ist skeptisch. „Da ändert sich doch nichts. Das ist egal, wer da welchen Posten hat. Oder?“ Sie verweist auf ihren Freund, der hinter ihr läuft und Kartoffelecken in den Mund schiebt. „Die sollen was tun für die Menschen und sich nicht wochenlang um die Posten streiten. So ein Geschacher“, sagt er. Torsten Galonska ist 40 Jahre und gerade arbeitslos geworden.
Für den 32-jährigen Briefträger Mike Delecate sind die Parteien viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. „Sie haben den Auftrag gekriegt, zusammen zu regieren, und kriegen das einfach nicht gebacken.“ Am Asia-Imbiss hat er gerade eine gebackene Ente bestellt. Heute ist sein erster Urlaubstag, morgen geht es für vier Wochen nach Australien. „Sparen bringt nix. Lieber reise ich.“
Er hat die SPD gewählt. Platzeck findet er vertrauenswürdig. „Es wäre gut, wenn der SPD-Chef wird.“ Merkel hingegen sei seiner Meinung nach nicht überzeugend. „Die kann ja ihre Leute nicht mal unter Kontrolle halten.“
Magdalena Wenger läuft gebückt und langsam. Aus Karlshorst kommt die 82-Jährige ab und zu hierher. Über Platzeck wisse sie Bescheid. „Das ist gut, wenn der was zu sagen hat. Dann haut er hoffentlich bald den Schönbohm raus.“ Im Gehen ruft sie noch: „Ich hoffe, dass sich für meinen Enkel was ändert. Der ist 20 und hat noch immer keine Lehrstelle.“