Der Respektierte

„Wenn die Organisation stimmt“, sagt er selbst und lächelt lieb, „kann jeder Spieler besser spielen“

Wenn zwei Bundesligateams fast auf Augenhöhe seien, sagte der Wolfsburger Geschäftsführer Klaus Allofs, tja, dann entscheide halt individuelle Klasse. Also Diego Ribas da Cunha. Beim 2:0 des VfL Wolfsburg über den VfB Stuttgart agierte der brasilianische Spielmacher jedenfalls in einer Klasse für sich – und damit ist nicht nur seine Gehaltsklasse gemeint, über der bei VW nur noch Konzernchef Martin Winterkorn angesiedelt ist.

Das 1:0 (51.) war 100 Prozent Diego, vom Ballgewinn über das Dribbling bis zum präzisen Abschluss. Das 2:0 (67.) bereitete er mit Dribbling, herausgeholtem und geschossenen Freistoß vor – Madlung hielt den Kopf hin. „Jeder in Wolfsburg weiß, was wir an Diego haben“, sagte der neue Trainer Dieter Hecking. „Er hat heute den Unterschied gemacht.“

Trotzdem: Dieser Rückrundenauftakt könnte der Beginn eines VfL sein, bei dem nicht mehr alles Diego ist. In Heckings erstem Pflichtspiel waren Ansätze einer kollektiven Spielidee zu sehen. Zumindest, was die Defensive angeht. Und zu erahnen war, dass eine Offensive mit Diego, Dost, Olić und der Neuzugang Ivan Perišić, 23, Potential hat.

„Es war eine wichtige Entscheidung, Perišić dazu zu holen“, findet Allofs. Der mit Abstand teuerste Wintereinkauf der Liga soll Tempodribblings über die Flügel, Torgefahr und Pressing-Knowhow einbringen, alles wichtige Ingredienzen des künftigen VfL-Stils. Noch ist er nicht voll da, aber das waren auch Olić und der eingewechselte Stoßstürmer Bas Dost nicht. Dennoch funktionierte der in Überarbeitung befindliche VfL-Verbund gegen den Ball meist gut.

Offensiv wurde das Team komplett von Diego definiert, der eine beeindruckende Ballsicherheit und Offensivzweikampfstärke an den Tag legte. Bei seinem Treffer passierte er diverse Stuttgarter, ohne sich von der Ideallinie abbringen zu lassen. „Es gibt nicht viele in der Liga, die das so perfekt können“, sagte Stuttgarts Manager Fredi Bobic – der VfB habe keinen. „Wenn die Organisation stimmt, kann jeder Spieler besser spielen“, sagte Diego selbst und lächelte lieb. Einerseits professionelle Bescheidenheit, andererseits stimmt’s. Und drittens neigt der 27-Jährige zu allgemeingültigen Weisheiten aus dem Profi-Poesiealbum. Nach Siegen spricht Diego gern und lang. Sein Lieblingswort: „Respekt“.  PETER UNFRIED