: Mit dem Traktor zur Agrarwende
BAUERN Zum Auftakt der Grünen Woche protestieren Tausende gegen industrielle Landwirtschaft, Tierquälerei in Mastfabriken und zu viele Pestizide auf den Feldern
VON JOST MAURIN
Es war kalt, minus fünf Grad, dazu ein eisiger Ostwind – nicht gerade ideal für eine Demonstration. Dennoch gingen am Samstag Tausende Menschen im Regierungsviertel auf die Straße, um unter dem Motto „Wir haben es satt“ gegen die Agrarindustrie zu protestieren. Damit schaffte es ein Bündnis aus Umwelt-, Tierschutz- und Bauernorganisationen im dritten Jahr in Folge, zu einer Großdemonstration am Rande der Agrarmesse Grüne Woche zu mobilisieren.
Nach Angaben der Veranstalter nahmen 25.000 Menschen teil. Die Polizei machte dazu keine Angaben. Nach Schätzungen der taz nahmen rund 10.000 Menschen teil. Selbst das wäre angesichts des Termins mitten im Dauerfrost viel für einen Stoff wie die Agrarpolitik, der oft nur ein Nischenthema ist.
Zwar lief im Demonstrationszug auch ein schwarzes Blöckchen aus einer Handvoll dunkel gekleideter Aktivisten der Animal Liberation Front mit, die für Anschläge auf Stallbauten bekannt ist. Das Teilnehmerbild dominierten aber friedliche, eher bürgerlich wirkende Biokäufer, Bauern sowie Mitarbeiter von Organisationen wie dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und dem Deutschen Tierschutzbund. Manche traten im schwarz-weiß gefleckten Kuhkostüm oder als Imker mit Helm und Schleier auf. Rund 70 Landwirte – viele aus Brandenburg – führten den Zug vom Hauptbahnhof über Umwege bis zum Kanzleramt mit ihren Traktoren an.
Der Hauptredner, BUND-Chef Hubert Weiger, warf der Agrarindustrie vor, Tiere zu quälen, in der Mast zu viele Antibiotika zu verwenden und die Umwelt durch Pestizide und Dünger zu belasten: „Die Bundesregierung mit Kanzlerin Merkel und Agrarministerin Aigner muss endlich dafür sorgen, dass bäuerliche Betriebe anstatt vor allem Tierfabriken gefördert werden.“
In diese Kerbe schlug auch Uschi Helmers von der Bürgerinitiative gegen einen riesigen Geflügelschlachthof im niedersächsischen Wietze. „Es darf den Politikern nicht egal sein, wenn ausländische Arbeiter für drei Euro fünfzig Cent Stundenlohn in deutschen Schlachthöfen ausgebeutet werden oder dass für Tierfutter der Regenwald in Südamerika abgeholzt wird.“
Ministerin Ilse Aigner (CSU) hielt dagegen: „Wir sind bei der Ökologisierung der Landwirtschaft weiter als die meisten Staaten Europas.“
Aigner diskutierte am Wochenende mit Regierungsvertretern aus rund 80 Ländern über „verantwortliche Investitionen“ in die Agrar- und Ernährungswirtschaft. Sie meinten, es müsse mehr Geld in diese Branchen fließen, um die wachsende Weltbevölkerung ernähren zu können. Dafür waren die Demonstranten auch. Doch während Aigner und andere Minister auch die Agrarindustrie fördern wollen, setzen die Aktivisten auf Kleinbauern und lokale Produktion.