Im Disneyland des Totalitarismus

KRACHMACHER Die slowenische Artrockband Laibach ist in Nordkorea aufgetreten – als erste westliche Gruppe überhaupt. Und schildert nachher ihre Eindrücke – über eine lächerlich todernste Reise

Mit perfekt waagerecht ausgerichteten Ansteckern: Laibach in Pjöng­jang Foto: Laibach handout

von Polona Balantic

„Sagen wir so: Wir haben eine Art Studienfahrt gemacht. Weil wir die Gelegenheit bekommen haben, sie zu machen. Aber natürlich sind wir auch aus reiner Neugier in dieses fast hermetisch gekapselte Land gereist.“ So ernst begründet Ivan Novak, seit mehr als 20 Jahren Mitglied des slowenischen Band- und Künstlerkollektivs Laibach, die Reise seiner Gruppe nach Nordkorea.

Was man Novak glauben kann. Denn es war schon immer Laibachs Methode, sich auf eine lächerlich todernste Art und Weise mit totalitären oder potenziell totalitären Regimen auseinanderzusetzen – sei es mit Faschismus, dem jugoslawischen System, unter dem sich Laibach bereits 1980 unter Tito gründete, oder mit der allgegenwärtigen und heimtückischen Ideologie des Konsums. Vorwürfe, das von Rammstein beeinflusste Bandkollektiv verherrliche mit seiner Ästhetik Faschismus, konterte die Gruppe einst mit dem Kommentar: „Wir sind so sehr Faschisten, wie Hitler Maler war.“

Kollektive Truman-Show

Die Beschäftigung mit Nordkorea, sie ist in diesem umstrittenen Gesamtkunstwerk von Laibach vielleicht das letzte Kapitel, das noch fehlte. „Das ist eine kollektive Truman-Show und wir werden Teil dessen werden“, sagte Novak vor der Abreise. „Wir werden nordkoreanische Uniformen anziehen und Glieder jenes Kollektivs werden.“

Und das nordkoreanische Volk – oder die, von denen das Volk bevormundet wird – hat Laibach als ein wenn auch nur vorläufiges Glied seines nordkoreanischen Systems tatsächlich anerkannt. Am Ende standen sie da, mit Ansteckern geschmückt, auf denen der ewige Führer des nordkoreanischen Volkes Kim Il Sung und sein Sohn, zweiter oberster Machthaber Nordkoreas Kim Jong Il dargestellt sind. Diesen Anstecker zu bekommen – das zeugt von großer Ehre, die die Staatsführung jemandem erweist.

Eine große Ehre, aber auch eine Pflicht. Denn die Anstecker dürfen nie schräg auf den Klamotten hängen. Das spricht von der Schlampigkeit. So was darf nicht passieren. Führerbeleidigung. Weshalb die „Begleiter“ der Band sichtlich darum bemüht waren, sie in eine perfekt waagerechte Position zu bringen.

Eingefädelt hatte Laibachs Nordkorea-Tournee der norwegische Regisseur und Fan der Band, Morten Traavik. Der hatte in den vergangenen Jahren schon mehrere Kulturaustauschprogramme zwischen Norwegen und Nordkorea organisiert. Deren Höhepunkt: das Konzert nordkoreanischer Akkordeonspieler, die „Take On Me“ der norwegischen Band A-Ha interpretierten. Und so war es Traavik, der der Band nach dem Dreh eines Videos zu ihrem Hit „Whistleblowers“ vorschlug, eine Tournee in Nordkorea zu organisieren. Zu der es dann auch tatsächlich kam.

An dieser Reise ist nicht nur beeindruckend, dass Laibach als erste westliche Band überhaupt in diesem Disneyland des Totalitarismus aufgetreten ist. Sondern auch der Kontext ihres Gigs – denn der fand in der Woche der großen nordkoreanischen Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Befreiung Koreas von der japanischen Besatzung statt. Ausgerechnet Laibachs Artrock als Festmusik? Eine eher überraschende Entscheidung der nordkoreanischen Führung.

Musik „wie eine Tortur“

Wobei natürlich nichts dem Zufall überlassen wurde. Und Laibach auch nicht der Illusion unterlag, das tatsächliche Nordkorea zu Gesicht zu bekommen. Sogar die beiden Konzerte der Band, die sie vergangene Woche spielten, waren keine öffentliche Veranstaltungen: Im großen Saal des Pongwa-Theaters in Pjöngjang saßen kaum Zuschauer, die selbst entschieden haben, sich den Auftritt der Band anzusehen. Neben den mehr als 1.300 Einheimischen waren 150 Ausländer eingeladen, das diplomatische Korps inklusive. Darunter auch der syrische Botschafter, der laut Novak nachher sagte, er habe die Musik „wie eine Tortur“ empfunden.

„Uns wurde gesagt, dass das Menschen aus unserer Zunft sind, also Musiker und Künstler und Leute, die irgendwas mit Kultur zu tun haben“, so Novak weiter. „Bestimmt waren auch mehrere Parteifunktionäre anwesend. Aber im Großen und Ganzen könnten wir sagen, dass die Struktur des Publikums der Struktur des Opernpublikums bei uns entspricht.“ In einem Telefongespräch wenige Stunden nach ihrem ersten Konzert berichtete Novak: „Der Saal befindet sich in einem am strengsten bewachten Gebäude; wie ein nordkoreanisches KGB sieht es aus.“

Auch die Vorbereitungen auf die Konzerte ließen vermuten, dass es der nordkoreanischen Führung nicht so sehr darum ging, die Musikkenntnisse der ausgewählten Zuhörerschaft zu erweitern. Zensur und strenge Vorbeugungsmaßnahmen – das waren Punkt eins und Punkt zwei der Vorbereitungen. Novak berichtet von Interventionen beim Zusammenstellen der Lieder für den Auftritt: „Immer wieder sind Menschen zu uns gekommen und steckten ihre Nasen in die Setlist.“ Erst hätten sie die Erlaubnis bekommen, einige nordkoreanische Volkslieder für den Auftritt zu bearbeiten. Aber als die Nordkoreaner sich das Ergebnis anhörten, hätte sie „entweder Tempo oder Rhythmus oder was anderes“ gestört, sagt Novak. Und fügt hinzu: „Na ja, wenn es um ihre Mythologie geht, sind sie äußerst empfindlich.“

Und was Musik angeht, ebenfalls. Die staatliche Presseagentur berichtete nach Laibachs Auftritt zwar von einer im künstlerischen Sinne vollendeten Wiedergabe, vom reichen Ton und ungewöhnlichen Gesang. Doch der gelangweilte bis starre Ausdruck auf den Gesichtern im Publikum deutet darauf hin, dass die meisten Zuhörer dem offiziellen Bericht widersprechen würden. Wobei in Nordkorea eine andere Reaktion möglicherweise einfach nicht zulässig ist: Große Emotionen sind für die Verehrung des Führers und andere staatsbegründende Mythen reserviert. Und diese Mythen sind heilig. Womit ja auch die Zensoren ihre Eingriffe begründeten.

Unglaublich dann, dass gerade ein US-Musical im Zentrum von Laibachs Auftritt stand: ihre Interpretation von „The Sound of Music“. Wobei man wissen muss, dass Nordkoreaner diese Musik gut kennen: Die legendäre Hollywood-Verfilmung des Musicals von 1965 ist eine der wenigen US-Produktionen, deren Vorführung in Nordkorea zulässig ist. Studenten müssen einige der Lieder dieses Musicals hunderte Male singen.

Klar abgeschirmt

In Kontakt mit der „normalen“ nordkoreanischen Bevölkerung kam die Band nicht. Davon zeugten bereits die Fotos, die Laibach von ihrer Reise veröffentlichten. Und auch Sängerin Mina Špiler sagte nach ihrer Rückkehr: „Auf der Straße spricht man keinen an. Spontane Gespräche kommen nicht infrage.“ Die Bandmitglieder seien während der gesamten Reise ständig von fünf Nordkoreanern begleitet worden. „Die waren sehr nett, wir haben uns auch ziemlich frei unterhalten“, sagt die 34-Jährige. „Aber nur wenn sie nicht unter Stress wegen der technischen Probleme im Konzerthaus gelitten haben.“

Und so will Laibach auch nach dem Besuch kein endgültiges Urteil über das Land abgeben. „Nordkorea ist all das, was wir über dieses Land gehört haben. Ist aber auch mehr“, sagt Ivan Novak. „Menschen sind nett und angenehm, und in der Tat sieht es so aus, als ob sie mit ihrem Leben und mit dem System durchaus zufrieden sind. Und dass es an nichts mangelt. Ja, tatsächlich steht man unter dem Eindruck, dass Nordkorea eine gut funktionierende Ideologie ist.“

Es sind solche Aussagen, die Laibach zur Zielscheibe von Kritikern gemacht haben. Bei denen es sich aber meist um Menschen handelt, die nicht mit der großartigen Geschichte von Laibach vertraut sind – mit ihren Manipulationen von Ideologie und Provokation. Oder, um es mit Novaks Fazit der Nordkoreareise zu sagen: „Es ist ein kleiner Schritt für Laibach und ein großer für die Menschheit.“ Und: „Unsere erste Botschaft ist, dass wir die Wiedervereinigung Koreas unterstützen.“