: Die Schnittmuster-Matriarchin
Noch im hohen Alter konnte Aenne Burda so ausfallend werden, dass mancher Reporter sein Aufnahmegerät aus Scham wieder ausstellte. Die zeitlose Schönheit wusste, wie man poltert. „Ich würde niemandem raten, mit mir Streit anzufangen“, sagte sie selbst. Die derben Manieren schadeten ihr aber nie – im Gegenteil. Ihre Rücksichtslosigkeit und Kampfeslust hatten sie nach ganz oben gebracht. Und natürlich ihr immenser verlegerischer Instinkt.
Aenne Burda wurde am 28. Juli 1909 in Offenburg geboren. Damals hieß die Tochter eines Lokomotivführers noch Anna Magdalena Lemminger, benannte sich aber nach ihrem Lieblingslied „Ännchen von Tharau“ um – weil es vornehmer klang. Zu ihrem Verbündeten für ein feineres Leben wurde der ehrgeizige Drucker Franz „Senator“ Burda. Sie führten über 55 Jahre eine Ehe, die an Höhen, Tiefen und Intrigen ihresgleichen sucht. Auch am Anfang von Aennes Karriere als Verlegerin stand der eheliche Affront. Franz hatte seine Geliebte Elfriede und die gemeinsame uneheliche Tochter mit einem kleinen Verlag versorgt. Aenne gelang es jedoch, der Konkurrentin die Effi-Moden wegzunehmen. Was sie dann aus den umbenannten Burda-Moden machte, schrieb deutsche Unternehmensgeschichte.
Innerhalb von fünfzehn Jahren steigerte die Verlegerin, Chefredakteurin und Kolumnistin in Personalunion die Auflage ihrer Modezeitschrift von 5.000 auf über 1 Million Exemplare. Die beigelegten Schnittmusterbögen machten es der deutschen Nachkriegsfrau möglich, Mode preiswert selbst nachzuschneidern. Mit diesem einfachen Erfolgsrezept wurde der Aenne-Burda-Verlag zum größten Modezeitschriftenverlag der Welt und Aenne zu einer der reichsten Frauen Deutschlands. 1987 gelang es ihr, Burda Moden als erste westliche Zeitschrift in der damaligen Sowjetunion auf den Markt zu bringen. Heute erscheint das Burda Modemagazin in 89 Ländern und wird in 16 Sprachen übersetzt.
45 Jahre stand Aenne Burda ihrem Verlag vor. „Ich war ehrgeizig bis zum Gehtnichtmehr“, sagte sie über diese Zeit. Doch sie stachelte nicht nur sich, sondern auch ihre Mitarbeiter zu Höchstleistungen an. Manchmal ließ sie ihren harten Worten auch Aschenbecher folgen. „Diese Frau war knallhart, härter, als je ein Mann sein könnte“, zitiert Autorin Gisela Freisinger aus der Riege der Führungskräfte um Aenne. Nach dem Tod ihres Mannes 1986 zog sie sich zunehmend aus dem Geschäft zurück. 1994 übertrug sie ihren Verlag schließlich dem jüngsten ihrer drei Söhne, Hubert Burda. Gestern ist Aenne Burda, die ihr Mann zeitlebens nur „Engele“ nannte, in Offenburg im Alter von 96 Jahren gestorben. HANNAH PILARCZYK