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Archiv-Artikel

Vom wirkungslosen Willen zur Kontrolle

THEATER Die Aufarbeitung des Musical-Defizits hat ein doppelt dummes Ergebnis: Weil die Geschäftsführung nicht ordnungsgemäß war, wird auch die private Ausfallbürgschaft nicht fällig

Im Oktober 2007 traf der Aufsichtsrat des Bremer Theaters eine verhängnisvolle Entscheidung: Er genehmigte „Marie Antoinette“. Auf Grund einer parlamentarischen Anfrage der CDU listete das Kulturressort nun detailliert auf, zu welchem Zeitpunkt welche Informationen über das sich sukzessive entwickelnde 2,5 Millionen Euro-Defizit vorlagen. Quintessenz: Der Aufsichtsrat – angeführt von Kultursenator Jens Böhrnsen – habe seine Kontrollpflichten voll und ganz erfüllt.

Anhand „der Darstellung der Zahlungsströme“ sei gegenüber dem Gremium belegt worden, dass die Musical-Finanzierung „außerhalb des normalen Theaterbudgets“ erfolgen könne. Dieses, so sei beschlossen worden, dürfe keinesfalls „zu einer eventuellen Kostenabdeckung herangezogen“ werden.

Diese „Festlegung“ bewahrheitete sich dann bekanntlich dergestalt, dass der Theater-Etat im Rahmen des regulären Spielbetriebs selbst mit 1,5 Millionen ins Minus rutschte – also in der Tat keinen Ausgleichsbeitrag zum Musical-Misserfolg leistete.

Die Frage der CDU, ob der Aufsichtsrat bereits „nach Juli 2007“ – das Datum des Amtsantritts von Theaterintendant Hans-Joachim Frey – „Hinweise auf ein mangelhaftes Risikomanagement“ gehabt habe, kann das Ressort hingegen mit einem trockenen Hinweis kontern: „Insbesondere vor dem Hintergrund der öffentlichen Präsentation des neuen Intendanten“ sei seinerzeit nicht davon auszugehen gewesen, „dass selbstverständliche Kontrollinstrumentarien nicht eingesetzt“ würden. Als Beleg zitiert das Kulturressort eine Pressemitteilung aus dem eigenen Haus – das seinerzeit CDU-geführt war: „Mit Hans-Joachim Frey haben wir einen Intendanten der jüngeren Generation gefunden, der die veränderten Anforderungen an die Leitung eines Mehrspartentheaters sowohl im künstlerischen als auch im betriebswirtschaftlichen Bereich hervorragend erfüllen wird.“

Erst im März 2009 – also zwei Monate nach der Premiere von „Marie Antoinette“ – habe es „hinreichende Anhaltspunkte über eine nicht ordnungsgemäße Geschäftsführung“ gegeben. Dann jedoch sei sofort „eine mögliche Abberufung der Geschäftsführer“ geprüft worden. Das Ergebnis der externen Anwälte und Wirtschaftsprüfer: Das Prozessrisiko sei zu vermeiden. Doch immerhin widerlegt die nun vorliegende behördliche Darstellung die Legende von der Freiwilligkeit des Rücktritts beziehungsweise Vorruhestands der beiden Geschäftsführer Frey und Wolfgang Patzelt: „Zur Abwendung weiteren Schadens von der Gesellschaft [wurde] dringend zu einer Auflösung der Verträge der beiden Gesellschafter geraten.“ Dies sei „zügig umgesetzt“ worden.

Im achtseitigen Fragenkatalog der CDU fehlt das Thema der privaten Ausfallbürgschaft: Bei der Genehmigung von „Marie Antoinette“ wurde wiederholt auf die entsprechende Zusage eines Schweizer Mäzens verwiesen. Diese jedoch, so Ressort-Sprecher Heiner Stahn gegenüber der taz, sei wiederum an „Bedingungen geknüpft, die jetzt leider durch den Bericht der Wirtschaftsprüfer nicht mehr gegeben sind“. Henning Bleyl