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Archiv-Artikel

Die heilende Kraft im All

Am 5. November 1970 verließ Albert Ayler sein Haus und 20 Tage später wurde seine Leiche im New Yorker East River gefunden. Es gab Gerüchte, dass Ayler nicht wirklich freiwillig ins Wasser gegangen sei. Man munkelte von Verstrickungen in Drogengeschäfte, man hörte von Depressionen, und später erklärte seine Lebensgefährtin, dass Ayler einfach von der Fähre gesprungen sei, als sie sich gerade der Freiheitsstatue näherte. Man weiß es nicht wirklich. Das ist egal.

Darum geht es nicht.

Aber zwischendurch vielleicht ein Lied, in dem einem auch Albert Ayler wiederbegegnet, von der österreichischen Laokoongruppe, hinter der Karl Schwamberger steckt, der in seinem „Walzerkönig“ die Zeilen singt, „und ich spiel nicht für euch, wenn ihr Albert Ayler nicht kennt und bei der Musik von Alban Berg und Will Oldham nicht flennt.“ Das ist jetzt natürlich nicht als blödes Ausschlussverfahren gemeint, es geht nicht um unnütz angesammeltes Nerdwissen. Diese Zeilen meinen nur nur, dass eben alles vergebens ist und unnütz, wenn man Albert Ayler (Berg, Oldham) hörend so versteinerte Ohren hat, dass da nichts ins Hirn geht oder ans Herz.

Das „Walzerkönig“-Album der Laokoongruppe ist im Frühjahr dieses Jahres erschienen und sollte unbedingt in den einschlägigen Endjahresbestenlisten vermerkt werden, wenigstens in der Untergruppe Austropop. Scheint mit jedenfalls höher einzuschätzen als zum Beispiel das gleichfalls im Frühjahr erschienene „Lovetune for Vacuum“ von Soap @ Skin alias Anja Plaschg, die mit ihren zarten Liedern in nachtschwarzer Zerbrechlichkeit auch in Berlin hoch gehandelt wird als größte Hoffnung der österreichischen Popmusik. Ich allerdings fühle mich von dem jugendlichen Existenzialismus erpresst und will mich gar nicht rühren lassen. Da bin ich der Klotz. Für mich spielt sie nicht (für die anderen: Soap & Skin wird am Donnerstag mit Ensemble im Berghain spielen).

Wer Albert Ayler nicht kennt: eine wilde Musik, eruptiv, durcheinanderschreiend und zärtlich, kinderliedhaft summend. Ekstatisch. Hymnisch. Wie eine aus dem Tritt geratene Heilsarmeekapelle und nie auf dem Weg wankend. Free Jazz. Seele. Kennenlernen kann man Albert Ayler am Sonntagnachmittag, 16 Uhr, im Eiszeit-Kino bei dem Filmporträt „My Name is Albert Ayler“ im Rahmen des gerade im Eiszeit und fsk laufenden „Unerhört“-Musikfilmfestivals.

Diedrich Diederichsen (in einer Kritik zu einer John-Lurie-Platte mit Ayler-Musik): „Ich liebe jeden Ton von Albert Ayler …“

Albert Ayler: „Music is the healing force of the Universe“ (was auch der Titel eines seiner letzten Alben ist). THOMAS MAUCH