Der Palästinenser Allaan liegt jetzt im Wachkoma

ISRAEL Die Ärzte behandeln nach seinem zweimonatigen Hungerstreik einen Hirnschaden

Die Armee errichtet im Süden präventiv mehrere Raketen­abwehranlagen

JERUSALEM taz | Formal ist Mohammed Allaan ein freier Mann, doch die Affäre um den seit gut zwei Monaten hungerstreikenden Palästinenser ist noch lange nicht ausgestanden. „Er ist im Wachzustand und in der Lage zu kommunizieren“, berichtete das Krankenhaus am frühen Donnerstagnachmittag gegenüber dem israelischen Hörfunk. Auch eine künstliche Beatmung sei nicht mehr notwendig.

Erst am Morgen war der 31-Jährige erneut ins Koma gefallen. Noch immer unklar bleibt, ob ein am Vortag bei Untersuchungen festgestellter Hirnschaden, den die Ärzte auf Vitaminmangel zurückführen, zu beheben ist. Der Islamische Dschihad, dem Allaan angehört, drohte mit harter Vergeltung, sollte ihm etwas zustoßen. Israels Armee errichtete präventiv mehrere Raketenabwehranlagen in Aschdod im Süden des Landes wenige Kilometer nördlich vom Gazastreifen. Auch im Westjordanland sind die Streitkräfte demnach in erhöhter Alarmbereitschaft. Eine Armeesprecherin sagte, das Militär äußere sich nicht zu Truppenbewegungen.

Seit dem 18. Juni nimmt Allaan nur noch Wasser zu sich. Seine Freiheit oder eine Anklage wollte sich der Administrativhäftling mit dem Hungerstreik erzwingen. Allaan ist einer von gut 400 Palästinensern, die Israel ohne Rechtsverfahren hinter Gittern festhält, weil sie, so die offizielle Begründung, „tickende Zeitbomben“ sind, also Anschläge planen könnten.

Am Dienstag erklärte der Oberste Gerichtshof die Administrativhaft für temporär aufgehoben. In seinem momentanen Zustand ginge von ihm keine Gefahr mehr für Israels Sicherheit aus, hieß es. Sollte sich herausstellen, dass Allaans neurologische Verletzung dauerhaft ist, würde er nicht wieder in Haft genommen werden. Andernfalls müsste er, sobald es ihm besser geht, erneut seine Entlassung beantragen.

Allaan war erstmals am vergangenen Freitag ohnmächtig geworden. Eine Zwangsernährung, wie sie nach einer kürzlich erfolgten Rechtsreform in Israel möglich wäre, lehnten die Ärzte aus humanitären Gründen und Sorge um das Leben des Patienten ab. Israel hatte zunächst den Kompromiss eines vierjährigen Exils anstelle des Gefängnisaufenthaltes vorgeschlagen. Doch Allaan blieb hartnäckig bei seiner Forderung, umgehend nach Hause entlassen zu werden.

Auch der letzte Vorschlag, die jeweils für sechs Monate verfügte Administrativhaft bei Ablauf am 3. November nicht zu verlängern, ging dem Palästinenser nicht weit genug. Laut Aussagen seiner Anwälte habe er Bereitschaft für einen Kompromiss signalisiert. Er sollte zum Eid al-Adha, dem muslimischen Opferfest Ende September, wieder nach Hause dürfen. SUSANNE KNAUL