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Berliner SzenenKifferbar auf dem Dach

Stillleben

Ich stellte mir vor, wie der Wind die Nacht erträglich machte

Aus dem Wohnzimmer und der Küche kann ich auf die Rückseite von zwei Häusern in der Frank­furter Allee schauen. Die Fassade des einen Gebäudes wurde vor einiger Zeit renoviert und oben drauf ein Penthouse gesetzt. Das unsanierte Haus daneben wirkt wie der abgeratzte Stiefbruder, bei dem aber die Post abgeht.

In diesem Sommer habe ich erstmals junge Menschen auf dem Dach sitzen oder liegen sehen. Einmal wurde eine Gruppe, von der alle im Schneidersitz auf dem Dach hockten, von einem Gewitter überrascht. Sie blieben sitzen und schützten sich mit einer Plane vor dem Regen. Als der Wind unter den Plastikschutz fuhr, blähte sich die Folie so auf, dass es aussah, als würden die Menschen auf dem Dach in einer riesigen Blase hocken.

Seit einigen Tagen stehen eine Bank und ein Schaukelstuhl oben auf dem Dach. Es ist ein schönes Stillleben. In einer dieser heißen Sommernächte sah ich Leute da sitzen und stellte mir vor, wie ein leichter Wind die Nacht erträglich machte. Und neulich ist noch etwas Neues hinzugekommen. Über Nacht hat jemand mit großen Buchstaben und in blauer Schrift das Wort „Weedethek“ gepinselt.

Ich habe lange über die Bedeutung dieses Wortes nachgedacht. Ich weiß nur, dass Weed für Marihuana steht. Wird das Hausdach in der ehemaligen Stalinallee im Schutz der Nacht zur Kifferbar?

Vor wenigen Wochen hat die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis nach Paragraph 3 des Betäubungsmittelgesetzes zum „Regulierten Verkauf von Cannabis gestellt. Lustigerweise hat das Bezirksamt seinen Sitz ebenfalls in der Frankfurter Allee, nur wenige hundert Meter von der Kifferbar auf dem Dach entfernt Barbara Bollwahn

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