Wenn die Kinder die Revolution fressen

DOKUMENTARFILM „Rot sind die Füchse“ erzählt gekonnt vom Aufwachsen in einer kommunistischen Jugendorganisation. Der Film verzichtet dabei auf Exotismus und bleibt mit den Protagonisten auf dem Boden

Ein junger Musiker rappt: „Kapitalisten, Kopfschuss, Kopfschuss!“

VON DETLEF KUHLBRODT

Gabi, Anne und Peter lassen einen Traum Wirklichkeit werden – den Traum ihrer revolutionären, 68er-geprägten Eltern. Anstatt wie diese etwa als Ärzte zu arbeiten, werden sie Arbeiter in einer Fabrik und engagieren sich für die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD). Sie tun es, abgesehen von Peter, bis heute.

Für seinen atmosphärisch dichten Dokumentarfilm „Rot sind die Füchse“, der auf jegliche Exotisierung verzichtet, hat der Regisseur Jan Stefan Kolbe seine drei nordrhein-westfälischen Helden zwei Jahre lang begleitet. Den roten Faden im Regiedebüt bilden alte und neue Aufnahmen von den Sommerlagern, die die MLPD alljährlich für revolutionäre Kinder – besser: solche, die es einmal werden sollen – veranstaltet.

Abgesehen von den Liedern, die gesungen werden, unterscheiden sich diese Sommerlager nicht allzu sehr von denen, bei denen man selbst als Kind war: Man spielt Völkerball, macht viel Sport, Gruppenleiter werden ausgebildet. Vor dem Frühstück trifft man sich zur Gymnastik. Einer ruft: „Wer bleibt fit und kämpft mit?“ Die Kinder antworten: „Die Kinder dieser Welt.“

Im Zeltlager werden sie zur Ordnung angehalten: Wer am ordentlichsten ist, bekommt die meisten Punkte und den Goldenen Besen, wer am wenigsten Punkte hat, bekommt den Stinkstiefel.

Die Eltern der drei Protagonisten des Films gingen ins Ruhrgebiet, „weil hier die Basis des Proletariats ist“. Gabi, Anne und Peter waren schon als Kind bei der Kinderorganisation der Partei, die sich „Rotfüchse“ nennt. Sie wurden dazu angehalten, besonders fleißig zu sein, denn gerade wenn man „so gewagte politische Positionen“ einnimmt – so die Eltern –, muss man gut ausgebildet sein, „damit man kein Außenseiter ist“.

Gabi engagiert sich bereits während ihrer Ausbildung in einer Solinger Fabrik als marxistisch-leninistische Jugendvertreterin. Wegen ihres strikten Einsatzes für die Arbeitnehmerrechte wird sie gemobbt und gemieden. Zeitweise kann sie die Fabrik zwar betreten, es wird ihr aber keine Arbeit gegeben. Viele Jahre später sitzt sie im Solinger Stadtrat und kandidiert als NRW-Spitzenkandidatin für die MLPD, die sich in der Tradition der Ideen von Marx, Lenin und Stalin sieht. Die Bilder, auf denen sie bei Demos Flugblätter verteilt, um die Massen zu agitieren, wirken melancholisch.

Anne arbeitet als Schlosserin in einem großen Stahlwerk und wurde vor fünf Jahren zur Betriebsrätin gewählt. In ihrem Privatleben versucht sie eine Gratwanderung zwischen ihrer politischen Haltung und einem „normalen“ Leben. Ihre Freunde sucht sie sich nicht nach deren politischen Präferenzen aus. Man sieht sie im Trikot von Borussia Dortmund Schmählieder gegen Schalke 04 singen oder mit Freunden Bionade trinken. Eine Freundin, die in der DDR groß geworden ist, kann ihr Engagement nicht so ganz nachvollziehen.

Peter schließlich jobbt als Lkw-Fahrer und hat sich von der Partei abgewandt. Seine Familie kann das nicht nachvollziehen. Warum er die Partei verließ, erfährt man nicht. Mittlerweile möchte Peter sich zum Erzieher in einem Waldorfkindergarten umschulen lassen.

Anders als manch anderer Film über kommunistische Jugendorganisationen verzichtet „Rot sind die Füchse“ auf Exotismus. Die MLPDler wirken bodenverhaftet und normal. Nur manchmal schrickt man kurz auf: wenn eine Protagonistin über die Diktatur des Proletariats spricht, wenn ein Philippine vor Kindern einen Vortrag hält und erzählt, wie Stammesältesten der Kopf abgeschnitten wurde. Oder wenn ein junger Musiker auf einem Fest der MLPD rappt: „Kapitalisten, Kopfschuss, Kopfschuss!“

■ Lichtblick-Kino, heute, 20.30 Uhr, in Anwesenheit des Regisseurs