Stadien einer Verwertungsschlacht

Echte Instrumentalisten sind rar: Auf dem Album „Nina Revisited … A Tribute to Nina Simone“ gelingt die musikalische Verneigung nur in Ausnahmefällen

Zwölf Jahre nach dem Tod der US-amerikanischen Jazzsängerin und Pianistin Nina Simone und kein runder Ehrengeburtstag in Sicht, fällt die Veröffentlichung einer zum Album er­korenen Hommage eher aus dem Rahmen der behäbigen Zyklen großer Plattenfirmen. Dahinter steckt eine bizarre Mischung aus steuerlichen Altlasten, aggressiver Expansionsstrategie eines Weltkonzerns für Video-Streaming, dem Anspruch auf alleinige Deutungshoheit über Nina Simones Leben und Fantasien über den Abglanz der Sängerin auf heutige Stimmen.

„… said, I had a mother who could sing“, singt Lisa Simone Kelly in dem Einminüter, der das Tribut-Album eröffnet. Daraus tönt pure Eitelkeit. Denn vorerst hat Lisa die Verwertungsschlacht um Einblicke ins Leben ihrer Mutter für sich entschieden: Sie ist im Besitz des Nachlasses und der Rechte an Nina Simones Musik und Koproduzentin der Dokumentation „What happened, Miss Simone?“, die vom Streaming-Dienst Netflix beauftragt wurde und seit Juni online zu sehen ist.

Die Dokumentation „The Amazing Nina Simone“ von Regisseur Jeff Lieberman, der mit dem Bruder Simones, Sam Waymon, zusammenarbeitete, ist bislang nur auf Festivals gelaufen, das Hollywood-Biopic „Nina“ versinkt vor dem Kinostart Ende des Jahres in einer Schlammschlacht um die „zu hellhäutige“ Hauptdarstellerin Zoe Saldana.

Egomanes Gebaren

Vom Tribut an ihr großes Vorbild scheint sich die Kurzzeit-Hip­Hop-Ikone Lauryn Hill einen frischen Schuss Credibility zu erhoffen, nachdem ihre Sangeskünste seit 2002 kein Album mehr hervorgebracht haben. Über den musikalischen Stand der Jahrtausendwende kommen ihre fünf Gesangsnummern auf dem Tributalbum, gelinde gesagt, nicht hinaus.

Das liegt wesentlich am egomanen Gebaren ihres Bandkollegen und Allround-Tonmeisters Michel Ferre. Statt ein echter Multiinstrumentalist zu sein, wie die Aufzählung seiner Funktionen an Klavier, Orgel und Synthesizern suggeriert, bedient er für die Aufnahme und die Abmischung lediglich einstmals liebgewonnenes Studio-Equipment. So verquirlt er echte Streichensembles im Liebeslied „Ne me quitte pas“, das Simone 1965 von Jacques Brel adaptierte, zu Hintergrundbrei, während Hill in Breitmaulfranzösisch mit gekünstelten Atemstockungen und Vokalseufzern Gefühlswallungen mimt.

Die auf geraden Durchmarsch getrimmte Drum-Programmierung aus der Hand von Divinci, Mitglied der HipHop-Truppe Solillaquists of Sound, macht auch den anderen Hill-Interpretationen den Garaus. Die berufsjugendlichen Techniknerds berauben Simones Gesang im Remix von „I got life“ seiner politischen Botschaft, zu allerstumpfesten Schlagzeugpatterns rappt Hill irgendetwas von böser Politik, Öffentlichkeit und so – sie hat derzeit dennoch beträchtliche Steuerschulden. Den Jazzpianisten Jon Batiste verheizt Ferre in drei Songs bis zur akustischen Unkenntlichkeit, in einem Instrumental ergeht er sich selbst in kitschig belanglosem Klaviergeplänkel.

Echte Instrumentalisten sind in den sieben Songs zu hören, die der Jazzpianist Robert Glasper produziert hat, in dreien sitzt er an den Tasten. Mary J. Blige verwandelt sich Simones Gesang in „Don’t let me be mis­understood“ als schlüssige, aber rückstandslose R&B-Nummer an, Jazmine Sullivan gelingt mit dem bluesigen Reggae „Baltimore“ am ehesten eine Verneigung.

Der subtile Zauber, den Nina Simone durch ihre unverkennbar kulinarische Diktion mit körperreichen Worten auf un­eben phrasierte Tonspuren legte, entgeht diesem Album völlig. Franziska Buhre

Album: „Nina Revisited … A Tribute to Nina Simone“ (RCA)