Berlinmusik

Gegensätze verstärken

Die japanische Pianistin Satoko Fujii vermischt gern sehr unterschiedliche Dinge. Ordentlich auf den Tasten spielen und irgendwo im Inneren des Klaviers zupfen und kratzen etwa – oder Free Jazz, Punk und Klassik. Vertraute Harmonien existieren bei ihr ganz friedlich neben frei improvisierten Instrumentaltönen und -geräuschen. Satoko Fujii ist aber nicht nur eine unerschrockene Alchemistin der Klänge und Stile, sie kombiniert auch gern heterogene Instrumentalklänge zu großen Ensembles.

Fujii, die lange Zeit zwischen Japan und New York pendelte, lebt seit ein paar Jahren in Berlin. Hier gründete sie ihre jüngste Großformation, das Satoko Fujii Orchestra Berlin – zuvor gab es schon Orchester in New York, Tokio, Nagoya und Kobe –, das aus „Berliner“ Musikern wie dem Saxofonisten Gebhard Ullmann, dem Bassisten Jan Roder und dem Schlagzeuger Michael Griener besteht, in dem aber auch, neben Fujiis Mann, dem Trompeter Natsuki Tamura, als weiterer in Berlin lebender Japaner der Gitarrist Kazuhisa Uchihashi spielt.

Das Satoko Fujii Orchestra Berlin, wie auf dem Album-Einstand „Ichigo Ichie“ zu hören ist, zeichnet sich keinesfalls bloß durch stilistische Kontraste aus, sondern auch durch Spannungsaufbau in der Gegenüberstellung von energischen Tutti-Partien und leisen Duo- und Solopassagen. Mal klingt das Orchester wie eine aus dem Ruder gelaufene Big Band, mal meint man, einer eher intimen Free-Jazz-Improvisation zu lauschen. Diese zahlreichen Reibungspunkte werden dank der kompositorischen Fähigkeiten Fujiis zwar nicht zu einem „stimmigen“ Ganzen vereint, aber zu einem Gebilde, in dem die verschiedenen Ecken, Rundungen und Kanten ein Patchwork ergeben, das scheinbar Widersprüchliches so in Beziehung setzt, dass man eigene Verknüpfungen herstellen kann.

Wie Fujiis Arbeitsweise im Kern funktioniert, kann man auf ihrem zeitgleich erschienen Album „Yamiyo Ni Karasu“ mit ihrem Quartett Satoko Fujii Tabira nachvollziehen. Hier spielt sie wieder mit Natsuki Tamura, dem Bassisten Todd Nicholson und Schlagzeuger Takashi Itani. Gleich am Anfang hört man Tamura, wie er viel Luft und fast keine Töne aus seiner Trompete lässt, bis Fujii ihren Gatten mit einer beinahe rockigen Akkord-Folge zur Ordnung ruft. Was folgt, ist feinste Kammermusik mit reichlich Sinn für Verschrobenes.

Tim Caspar Boehme

Satoko Fujii Orchestra Berlin: „Ichigo Ichie“, Satoko Fujii Tabira: „Yamiyo Ni Karasu“ (beide Libra); live 14. 8., Kühlspot Social Club