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„Es galt als unchristlich“

Führung Das Focke Museum lädt zu einem Rundgang über den Riensberger Friedhof ein

Judith Niehuis

67, arbeitet als freie Museumspädagogin im Focke Museum und leitet die Führung.

taz: Frau Niehuis, warum geben Sie eine Führung durch den Riensberger Friedhof?

Judith Niehuis: Der Friedhof hängt mit dem Focke Museum zusammen. Der Friedhof und das Areal, wo heute das Museum steht, gehörten früher beide der Familie von Post. Auf dem Friedhof liegen viele berühmte Bremer wie Wilhelm Kaisen oder Johann Höpken begraben, von denen wir Exponate im Museum haben. Die neogotischen oder klassizistischen Gräber und Mausoleen sind aus kunsthistorischer Sicht ebenfalls spannend.

Warum stehen so viele Mausoleen auf dem Friedhof?

Das liegt an der Lage: In Schwachhausen lebten eher Familien der Oberschicht, die sich solche Bauten leisten konnten. Auf dem Friedhof wurden aber Anwohner aller Schichten beigesetzt. Zeitgleich mit dem Riens­berger Friedhof wurde 1875 der Waller Friedhof eröffnet. Die Wohnverhältnisse ergaben, dass danach Menschen aus kaufmännischen Schichten eher in Riensberg und Arbeiter eher in Walle begraben wurden.

Auf dem Gelände steht ein Krematorium. Wird das heute noch genutzt?

Bis 1988 wurde das Krematorium genutzt. Danach waren die Anlagen veraltet. Daher wurde das Gebäude 2002 zu einem Kolumbarium umgestaltet – ein Ort um Urnen aufzubewahren. Erbaut wurde das Krematorium 1907 und war eines der ersten seiner Art in Norddeutschland.

Widersprach das Einäschern damals nicht der christlichen Ethik?

Nach der Christianisierung Bremens verbot Karl der Große Feuerbestattungen. Seitdem galten diese in der Bevölkerung als unchristlich. Zu Beginn sorgte das Krematorium daher für Aufsehen. Begründet wurde das Einäschern dann mit hygienischen Argumenten, so dass sich die Idee durchsetzte.

Ist heute auf dem Friedhof noch Platz?

In der Urne ist das nicht viel schwieriger als auf anderen Friedhöfen. Bei Erdbegräbnissen sieht das anders aus. Aufgrund des lehmigen Bodens verwesen die Leichenteile nur sehr langsam. Daher sind Erdbestattungen nur noch auf dem trocken gelegten Bereich um den See möglich. Dort einen der wenigen begehrten Plätze zu bekommen, ist recht schwierig.

Interview: Thomas Kreutz

15 Uhr, Focke Museum, Schwachhauser Heerstr. 240

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