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AlleskönnerBis zumEingang der Hölle

Hamburger Kunsträume

von Hajo Schiff

Opernhafte Gesamtkunstwerke verdienen Respekt. Und doch haben es genreübergreifende Künste schwer, in ihren Gastauftritten ernsthaft zu wirken und nicht in die Falle des Spektakels zu geraten. Bei noch so kreativen Besuchen im fremden Terrain schleicht sich der Verdacht ein, dass da jemand nur gut ist in einem Spielfeld, das gar nicht das seine ist: Tanz in der Galerie, Tafelbilder im Theater, Projektionen im Konzert, Mode in der Kunsthalle, Sound im Museum, Naturwissenschaft in der Kunst, strahlende Bühnenbilder im öffentlichen Raum. Immer überraschend, oft anregend, oft als Festival deklariert und manchmal sogar populär sind diese Interventionen und Grenzüberschreitungen – und durch die Vielfalt ihrer Bezüge direkter Kritik weitgehend enthoben.

Vieles, was in diesen Sommertagen läuft, gehört in diesen Bereich. Im Kunstverein haben die Lautsprecher die Macht übernommen für die Premiere einer Soundinstallation der Avantgarde-Elektromusikerin Holly Herndon. Beim Internationalen Sommertheater auf Kampnagel gibt es die Neuauflage einer Kooperation des Minimal Musikers John Adams, der Choreografin Lucinda Childs und des Star-Architekten Frank Gehry und der Glasgower Videokünstler und Turner-Preis-Träger Douglas Gordon zeigt nicht nur eine neue Filminstallation, sondern hat erstmals ein düsteres, Gewalt thematisierendes Musiktheaterstück auf die Bühne gebracht.

Und schließlich gibt es die 6-stündige Film-Oper „River of Fundament“ von Gesamtkunstwerkkämpfer Matthew Barney zu sehen. Dieweil setzt die Hamburger Künstlerin Nana Petzet eine biologische Versuchsanordnung ein, um festzustellen, inwieweit Nachtinsekten von Blaulicht gestört werden und kritisiert so den Event-Irrsinn von Hamburg-Marketing und Christoph Faulhaber bringt voller Ironie „Das Phantom der Oper“ in die Rote Flora.

Im Museum für gegenstandsfreie Kunst in Otterndorf an der Elbe werden unter dem Motto „Wir können auch anders“ nun die figürlichen Arbeiten der bisher wegen ihrer abstrakten und konkreten Werke gesammelten Künstler gezeigt. Und Sabine Linse hat nach künstlerischen Forschungen am alten Eiskeller auf Gut Hemmelmark bei Eckernförde den Eingang zur Hölle gefunden … Das ist dann sicher die ultimative Grenzüberschreitung.

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