: Pionier der jüdisch-islamischen Freundschaft
Für seine Annäherung an die Muslime in Deutschland erhält Henry G. Brandt den Muhammad-Nafi-Tschelebi-Preis. Der Ex-Landesrabbiner von Westfalen-Lippe ist der erste Jude, der von einer islamischen Institution geehrt wird
„Die wollten wohl ein Zeichen setzen“, sagt Henry G. Brandt bescheiden über die Verleihung des Muhammad-Nafi-Tschelebi-Preises durch das Zentralinstitut Islam-Archiv. Am 13. November wird der ehemalige Landesrabbiner von Westfalen-Lippe für seine Annäherung an die Muslime in Deutschland geehrt. Brandt habe sich „in besonderer Weise für die Verständigung zwischen Juden in Moslems eingesetzt“, begründet die Jury die Auszeichnung. Die Bescheidenheit des 58-Jährigen ist fehl am Platz: Er ist der erste Jude, der von einer islamischen Institution für sein Engagement eine offizielle Anerkennung erhält.
Am „Runden Tisch der Religionen in Deutschland“ arbeitet der heutige Gemeinderabbiner von Augsburg auf das hehre Ziel hin, Konflikte grundsätzlich gewaltfrei zu lösen und Religion nicht für politische Zwecke zu missbrauchen. Für die Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern müssten politische Lösungen gefunden werden, sagte er vor kurzem auf einem ökumenischen Forum in Niedersachen. Brandt lässt sich in seinem Kurs nicht von Staatsmännern wie dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad provozieren , der vergangene Woche in der ganzen Welt für Empörung sorgte, weil er Israel am liebsten „von der Landkarte radieren“ würde.
Dabei erlebte Brandt den Hass auf die Juden am eigenen Leib: 1939 flüchtete der damals 12-Jährige mit seiner Familie vor den Nationalsozialisten nach Palästina. Heute ist er Präsident des Deutschen Koordinierungsrats der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit. In der Nachkriegszeit kehrte er Deutschland jedoch lange den Rücken: Nach dem Militärdienst in Israel ging er zum Studium nach Belfast und London. Erst seit 1983 ist er in Deutschland als Rabbiner tätig, zunächst in Niedersachen, dann in Westfalen-Lippe, seit kurzem in Augsburg.
Sein Engagement für die jüdisch-moslemische Annäherung läuft bei Brandt „nebenher“. „Er ist ein Pionier auf diesem Feld“, sagt sein Laudator Salim Abdullah, Leiter des preisverleihenden Archivs mit Sitz in Soest. Über seine Amtszeit in Nordrhein-Westfalen hinaus konsultiere Brandt regelmäßig das Institut. Abdullah weiß, dass der liberale Rabbiner mit seiner Offenheit gegenüber anderen Religionen bei seinen orthodoxeren Glaubensgenossen auch oft aneckt. „Falls es Gegenwind gibt, habe ich ihn nie verspürt“, sagt Brandt dennoch zur taz.
Brandt war fast zehn Jahre lang Landesrabbiner der Region Westfalen-Lippe, wirkte aber mit seiner Autorität darüber hinaus – zumal es im Rheinland seit Jahren keinen Landesrabbiner mehr gibt. Auch innerhalb der jüdischen Community wirbt er für mehr Verständigung zwischen den Strömungen. Vor allem hat er aber den liberalen Juden immer wieder Freiräume geschlagen: So hat Brandt unter anderem die Gründung der jüdischen Liberalen Vereinigung „Etz Ami“ im Ruhrgebiet stark unterstützt.NATALIE WIESMANN