: Zwischen Utopie & Katastrophe
KUNST In der Ausstellung „Rauchwolken und Luftschlösser“ zeigt die GAK Arbeiten, die sich spielerisch mit der Flüchtigkeit von Räumen auseinandersetzen
VON RADEK KROLCZYK
Von „temporären Räumen“ will man eigentlich nichts mehr hören. Seit Jahren bemüht so ziemlich jeder diesen Begriff für so ziemlich alles. Die Ideologie vom „temporären Raum“ ist leider überhaupt nicht temporär, sie scheint gekommen, um zu bleiben. Vielleicht war der „temporäre Raum“ früher einmal eine utopische Metapher, die die Emanzipation von Volk und Scholle beschrieb und Exil und Migration verteidigte.
Der „temporäre Raum“ heute beschreibt ein Stück neoliberaler Wirklichkeit. Durch Flexibilisierung der Arbeit und des Wohnens etwa wird uns ein gewisses Maß an Flexibilität anerzogen. Die Räume, an denen man sich sicher fühlen, an denen man sicher bleiben durfte, werden rar.
Auch die GAK befürchtet aktuell, ihr Raum auf dem Teerhof könnte sich als temporär erweisen. Durch einen möglichen Umzug ihres Nachbarn, des Museums für moderne Kunst, könnte ihr Verbleib in dem Gebäude der ehemaligen Kaffee-Rösterei gefährdet sein, heißt es in einer Erklärung.
„Temporäre Räume“ ist der Untertitel einer Ausstellung, die morgen Abend in der GAK eröffnet wird. „Rauchwolken und Luftschlösser“, so der Obertitel, wurde von Dennis Paul und Andrea Sick kuratiert. Tatsächlich wird die Frage des „temporären Raums“ hier kontrovers und uneindeutig behandelt. „Ob temporäre Architektur und temporäre Stadtnutzung nicht den Gentrifizierungsprozess antreiben“, fragt sich Andrea Sick schon.
Die hier ausgestellten Arbeiten aber folgen keiner Programmatik, sie gehen mit der Raumfrage spielerisch um, entlang der Begriffe Rauchwolken und Luftschlösser, das erste ein Sinnbild für die Auflösung von Materie als Katastrophe, das zweite als gedanklicher Raum.
Zu sehen ist zum Beispiel die „Studie zur Sehnsucht“ von Kerstin Ergenzinger: Wie Steinplatten sind Schaumstoffmatten in der Mitte des Hauptausstellungsraumes ausgelegt. Darunter sind Karbonstäbe und Flexinol Muskeldraht, der sich bei Erwärmung durch Strom zusammenzieht, die Stäbe bilden dann das Gegengewicht, sie sind an Gelenke gebunden. Geophon und Seismograph messen die Schwingungen des Ausstellungsraumes und der Umgebung, der Schritte der Besucher und des Gewässers, das um die Weserburg herum fließt.
Der Plan für das Muskelgewebe unter den tektonischen Platten erinnert an eine Landkarte, ist aber gleichzeitig eine Art Partitur für die Bewegungen des Geländes. Es sind physische Bedingungen, die zu physischen Erschütterungen führen. Und dennoch geschieht nichts – zumindest nichts Reales.
Immer wieder lassen sich in der Ausstellung Bezüge zur Wissenschaft finden. So etwa in Ralf Baeckers „Rechnendem Raum“. Baecker hat aus dünnen Holzlatten einen kegelförmigen, neuneckigen Käfig gebaut. An seiner Außenseite sind Fäden und Gewichte angebracht. Mittels derer werden ähnlich wie bei einem Computer Berechnungen angestellt. Becker bezeichnet seinen Apparat als „umgestülpte Maschine“, denn im Gegensatz zu einem wirklichen Rechner werden die Prozesse hier an die Oberfläche gelegt. Sie arbeitet vollkommen selbstreferenziell, ihre Rechenergebnisse überträgt sie ins Innere, wo als Matrix, ähnlich einer Bildschirmoberfläche, ein rotes Netz gespannt ist. Auf diese Weise entsteht ein Raum, in dem ansonsten unsichtbare Prozesse sichtbar werden.
In Agnes Meyer-Brandis’ Videoarbeit „Moon Goose Colony“ ist die Erde ein temporärer Ort, an dem die Künstlerin junge Gänse auf ihre Reise zum Mond vorbereitet. Dabei geht sie in Etappen vor: Als Küken werden die Gänse mit einer Mondattrappe konditioniert, später lernen sie einen Himmelswagen zu ziehen.
Zusätzlich kommen ab dem 7. Februar für wenige Tage Arbeiten Studierender der Hochschule für Künste hinzu, darunter eine Arbeit von Benjamin Suck. Dieser hat 16-mm-Filme von den Schließungen der Bremer Werften gesammelt. Der Projektor, mit dem diese Filme in der GAK gezeigt werden, wurde von Suck so manipuliert, dass die Einzelbilder der Hitze der Birne solange ausgesetzt werden, bis sie ausgebrannt sind.
Auf diese Weise schaut man sicher geglaubten Orten beim Verschwinden zu, und es entstehen die titelgebenden Rauchwolken. Abschließend soll dann der ausgebrannte Film gezeigt werden. Hier wird sich noch einmal der Doppelcharakter des Temporären zeigen, als Desaster und Utopie: Der Verlust der Werften hat viele Menschen in große Schwierigkeiten gebracht, auch wenn die Befreiung von der Notwendigkeit der (Werft-)Arbeit an sich phantastische Perspektiven eröffnen könnte.
■ Eröffnung heute, 19 Uhr, danach bis zum 10. Februar, GAK